Namensfindung in historischen Romanen
Capitaine Armand Jeandin, Adrien Charretier oder Constance Bernard- sind nur einige der Namen der Figuren, die ich in den vergangenen Jahren erschaffen habe. Wenn man eine neue Figur erschafft, wenn man ihr Eigenschaften, Wünsche, Motive und Sehnsüchte gibt, wenn man sie in der fiktiven Welt des Romans positioniert, dann ist die Namensfindung einer der wichtigsten Schritte, um eine Figur wirklich abzurunden. Um diesen Teil der Planung im Vorfeld des Schreibens soll es in diesem Beitrag zum „Autoren-Kaffeekränzchen“ gehen.
Der Name sagt viel über eine Figur aus
Von einigen Autorenkolleginnen und -kollegen höre ich oftmals, dass sie sich hauptsächlich aufgrund des Klangs und der Vorstellung von einer Person, die ein Name vermittelt, für die Benennung ihrer Figuren entscheiden. Ich gehe meist noch einen Teil weiter, denn ich vertrete die Ansicht, dass wenn man sich bei der Gestaltung des Plots schon so ins Zeug gelegt hat, um ein Kunstwerk zu schaffen, dann kann man seinen Figuren keine x-beliebigen Namen geben. Daher sind die Namen meiner Romanfiguren immer sprechend.
Vornamen
Das bedeutet, dass ich einen Vornamen zusätzlich zu den oben genannten Kriterien auch immer anhand seiner Bedeutung oder anhand eines berühmten Namensträgers auswähle. Meine weibliche Hauptfigur in „Als das Schneeglöckchen fliegen lernte“ hat ihren Namen daher von Louise, der Königin von Preußen. Für ihren männlichen Gegenpart wollte ich einen energisch und stark klingenden französischen Namen und habe mich daher für den Namen „Adrien“, der sich vom lateinischen „Hadrianus“ ableitet entschieden.
Der Name der Protagonistin „Elisa“ aus „Wie der Sturm im Frühling“ leitet sich durch das Musikthema, welches sich durch den Roman zieht, von dem Stück „Für Elise“ von Beethoven ab. Die Hauptfigur „Leonhard“ in „Von Löwen und Gänseblümchen“ wird immer wieder optisch durch seine dunklen Augen und die wirren, blonden Locken mit einem Löwen verglichen. Daher findet sich das lateinische Wort „Leo“ für „Löwe“ in seinem Namen.
Nachnamen
Auch bei den Nachnamen von Figuren wähle ich oft Assoziationen oder sprechende Nachnamen. Da sich die Grundgeschichte meines Romans „Wie der Sturm der Ewigkeit“ an die Sage von „Tristan und Isolde“ anlehnt, trägt der Protagonist beispielsweise den Nachnamen „de Lohnois“, wobei „Lohnois“ das Königreich des Tristan in der originalen Sage ist. Nach dem selben Muster bin ich bei „Emile Gauvain“, dem Protagonisten in meinem neusten Roman „Das Flüstern des Löwenzahns“ vorgegangen. „Gauvain“ ist eine Schreibweise von „Gawain“, des Namens eines der Ritter der Tafelrunde.
Ganz anders bin ich bei dem oben schon erwähnten „Leonhard Voss“ vorgegangen. Die Idee, dem Helden diesen Nachnamen zu verpassen, entstand kurioserweise, nachdem ich die Verfilmung von „Der Rote Baron“ gesehen hatte, in der auch Werner Voß, der Jagdflieger, vorkommt. Dass sich sein Nachname wahlweise von Fuß oder auch von Fuchs ableiten lässt, passte dann sehr gut, denn betreffende Hauptfigur ist ziemlich gewievt und schafft es immer wieder, sich mit nicht immer ganz legalen Mitteln weiterzuhelfen.
Natürlich muss bei den Nachnamen darauf geachtet werden, dass sie für die betreffende Region, in der der Roman spielt, auch typisch sind. Ein Sepplmaier in Norddeutschland ist eher atypisch, oder?
Spitz- und Kampfnamen
Kommen wir zur letzten Kategorie, die in meinen Romanen häufig verwendet wird: die Spitz- und Kampfnamen. Gerade bei Letzteren kann ich mich richtig austoben, da sie meist einen Charakterzug oder eine Eigenschaft meiner Figuren unterstreichen sollen.
So ist „Trompelamort“ (franz. „Täuscht den Tod“) in „Das Flüstern des Löwenzahns“ der Mutigste und Kühnste aller Grenadiere, „Moustache“ besitzt einen imposanten Schnurrbart, der Name eines der Sidekicks meines Protagonisten „Pécheur“ entstand, weil ich mir nie merken kann, in welche Richtung diese verflixten Betonungszeichen im Französischen gesetzt werden und arg irritiert war, dass sich einer meiner Experten stolz „Sünder“ nannte (tut er natürlich nicht). „Le Cygne“ (franz. „Der Schwan“) in „Wie der Sturm im Frühling“ eine Anspielung auf die zugrundeliegende Legende des Schwanenritters.
Aber auch bei den Frauen verwende ich diese Methode. Die Protagonistin meines Romans „Von Löwen und Gänseblümchen“, der im Sommer erscheinen soll, wird von allen immer „Gänschen“ genannt. Dies ist eine lokale Bezeichnung für Gänseblümchen und steht damit in engem Zusammenhang zu den Blumen, die eine besondere Bedeutung im Roman besitzen.
So weit so gut. Aber was ist die Besonderheit bei historischen Romanen?
Hat man sich für einen Vornamen entschieden, muss noch geprüft werden, ob er zu dieser Zeit, in der ein Roman spielt, überhaupt existiert hat oder gebräuchlich war. Ausländische Namen als Modeerscheinung waren ausgesprochen selten und unterlagen keinem so raschen Wandel wie heute. Bei der Namensrecherche kann man Stunden zubringen und dennoch gibt es immer wieder kleine interessante Details, auf die man erst im Nachhinein stößt.
Ein solcher Fauxpas ist mir in meinem Roman „Wie der Sturm im Frühling“ unterlaufen. Ich habe einer Figur den Nachnamen meiner Urgroßmutter, Lydia, gegeben. Was ich nicht wusste, war, dass dieser Name zu dieser Zeit hauptsächlich in der jüdischen Bevölkerung vergeben wurde.
Namensdatenbanken und Taufregister helfen!
Hier leisten Namensdatenbanken und Geburtenregister ganz gute Dienste. Einerseits wird hier oftmals das erstmalige Aufkommen der Vornamen sowie ihre Häufigkeit in Taufregistern aufgeführt. Das führt allerdings dazu, dass man schnell feststellt, wie begrenzt die Anzahl der Vornamen tatsächlich war. Bei männlichen Vornamen ist man schon stark reduziert, aber bei Frauenvornamen noch viel mehr. Ein gutes Beispiel dafür sind die Romane von Philippa Gregory, die in der Epoche der Rosenkriege und der Tudorzeit spielen. Gefühlt alle Frauen heißen entweder Mary, Jane, Anne oder Elizabeth. Da den Überblick zu behalten, ist etwas schwierig.
Regeln und Traditionen bei der Namensgebung beachten!
Wichtig ist dabei jedoch auch zu beachten, das früher wie heute unterschiedliche soziale Schichten in der Namensgebung bestimmte Regeln und Traditionen eingehalten haben. Ein Beispiel dafür sind die oft sehr ausufernden Vornamensreihungen bei Mitgliedern des Adels. Oder die Verwendung des Vornamens „Maria“ bei Männern (was heute sehr ungebräuchlich ist).
Verewige ich die Namen von Verwandten und Bekannten in meinen Romanen?
Jein. Manchmal lasse ich mich dazu hinreißen, dass ich einer Person aus meinem Umfeld eine kleine Hommage widme, wenn sie mir viel bedeutet. Dann kann es sein, dass ihr Spitzname, Vorname oder gar Nachname auftaucht. In meinem Roman „Von Löwen und Gänseblümchen“ ist dies beispielsweise bei dem Großvater Gerhard der Fall.
Das ist aber ausgesprochen selten, denn ich halte die Leute aus meinem engsten Umfeld eigentlich aus der Arbeit heraus, um sie zu schützen. Außerdem könnte ich wohl keine Erotikszenen schreiben, wenn die Hauptfigur wie meine beste Freundin hieße, oder einen engen Freund in einer Hinrichtungsszene abschlachten. Das wäre seltsam. Ich hätte immer ihre Gesichter vor Augen. Ebenso wird es nicht passieren, dass ich die Namen meiner Kinder für die Helden verwende.
Es kommt aber öfter vor, dass ich die Nachnamen von Leuten, die mir begegnen und die ich spannend und unverbraucht finde, für Nebenfiguren verwende.
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