Recherche-Reisen- Mehr als nur Sightseeing
In meinem letzten Beitrag beim „Autorenkaffeekränzchen“ ging es darum, welche Schritte vor dem eigentlichen Schreiben eines Romans stattfinden. Heute begeben wir uns auf Reisen und schauen uns an, wie man Recherchereisen nutzen kann, um sich ein möglichst gutes Bild von den Orten, an denen der Roman spielt, machen zu können.
Warum sollte ich meinen Schreibtisch verlassen?
Man hat von Autoren meist ein besonderes Bild im Kopf: Ein Einzelgänger, der mit einem Gläschen Rotwein oder bei den Herren mit Zigarre/Zigarette im Mundwinkel und Whiskeyglas in der Hand am Schreibtisch sitzt, und seine Geschichten in die Tasten hämmert. Natürlich bei gedämpftem Licht. Bei manchen meiner Kollegen mag das auch zutreffen. Wer denkt nicht an Jules Verne oder an Karl May, der nie an den Orten seiner Romanhandlungen war und dennoch die Landschaften wunderbar wiedergeben konnte (über den Rest streiten sich die Geister und das können sie gerne tun, aber nicht hier).
Ich allerdings vertrete die Ansicht, dass das seltene Ausnahmen sind. Ich persönlich kann mir Orte noch so oft in Büchern oder auf Fotos oder sogar in YouTube-Videos anschauen- ein Gefühl für die Landschaft, die Stimmung dort, stellt sich nicht ein. Dafür muss ich den Ort selbst besuchen, alles mit eigenen Augen sehen und schließlich ein Gefühl dafür bekommen, was meine Figuren dort erleben, was sie fühlen, sehen und riechen. Wenn es um bestimmte Artefakte aus der Zeit geht, dann möchte ich sie zumindest sehen, am besten aber sogar berühren und spüren, wie sie sich anfühlen.
Die Sache mit dem Pallasch
Eines meiner liebste Beispiele ist der Pallasch- das ist der Reitersäbel der Kürassiere. In meinem Debütroman „Als das Schneeglöckchen fliegen lernte“ gehört mein Protagonist Adrien genau dieser Truppengattung der französischen Armee an. Dazu habe ich eingehend die Bewaffnung und Ausrüstung dieser Soldaten recherchiert, aber erst als ich selbst einmal die Gelegenheit hatte, einen Pallasch anzusehen und in die Hand zu nehmen, ja so zu halten, wie die Soldaten es damals im Angriff getan haben, nämlich mit gestreckten Arm nach vorne, habe ich gemerkt, auf welche Sinneseindrücke ich bei meinen Figuren den Schwerpunkt legen musste. Beispielsweise nimmt meine Protagonistin den Prügel in die Hand. Da konnte ich meine ersten Eindrücke perfekt einfließen lassen.
Wie bereite ich mich auf die Recherche-Reise vor?
Es ist glaube ich, wie bei allen Dingen: Ohne Vorbereitung ist der Ergebnis eher mau. Man läuft sich dumm und dusselig, im schlimmsten Fall kommt man vollkommen umsonst, weil man nicht das zu sehen bekommt, was man eigentlich gesucht hat. Also Vorbereitung. Aber wie sieht die aus?
Rangliste
Zuerst überlege ich mir eine Rangliste. Meine Zeit ist begrenzt, ich habe zwei kleine Kinder im Schlepptau, da kann ich nicht stundenlang jeden Ort abklappern. Zumindest nicht ohne Meuterei der Familie. Also überlege ich im Vorfeld, welche Ort häufig vorkommen, welche von besonderer Bedeutung sind und daher unbedingt besucht werden müssen. Beispielsweise die Papiermühle, in der zwei Drittel des Romans spielen oder das Schlachtfeld an der Göhrde, an der die Helden ihre finale Prüfung zu bestehen haben.
Karten
Wie gesagt, wenn man einen fremden Ort erkunden will, braucht man Karten: moderne und Karten aus der Epoche, über die ich schreiben will. Sei es auf altmodische Art in Papierform (das mag ich immer noch am liebsten) oder auf dem Handy oder Tablet. Es ist wichtig alte und neue Karten abzugleichen, um zu sehen, was sich im Laufe der Zeit an dem Ort der Handlung geändert hat.
Beispielsweise gibt es bei uns in der Nachbarschaft ehemalige Gruben, in denen recht oberflächlich Eisenerz abgebaut wurde. Heute stehen auf diesem Gelände Wohnhäuser und man kommt nur mit Erlaubnis der Anwohner dorthin. Das sollte einem vorher bewusst sein. Oder die ehemalige Hinrichtungsstätte in Bergisch Gladbach-Schildgen an der Fahn. Ja, es gibt Orte, an denen noch steinerne Relike an den Galgen etc. erinnern. Bei uns an der Fahn kann man sich doof und dusselig suchen (ich vermute, dass dort inzwischen ein Wegekreuz mit der Inschrift „Gott ist die Liebe“ steht).
Also: Orte ändern sich. Heutige Straßenverläufe müssen nicht den Verläufen vor 200 Jahren entsprechen. Vegetationen verändern sich. Es gibt Wegmarken, die dazukommen oder wegfallen, Gebäude die abgerissen und neugebaut werden. Das vergisst man leider im Eifer des Gefechts schnell.
Fotos und Bilder
Gibt es Gebäude oder Straßenzüge, etc., die du unbedingt besichtigen möchtest? Dann suche dir vorher Bilder dazu heraus, dann kannst du sie rascher finden. Wenn man beispielsweise zur Haupttouristenzeit durch Rom flitzt, dann ist es hilfreich, schon einmal zu wissen, wie das aussieht, was man sucht. Ansonsten rennt man schnell daran vorbei.
Auch bei Gemäldesammlungen oder Museumsausstellungen suche ich mir vorher heraus, welche Sachen für meinen Roman von Belang sind. Was ich gesehen haben muss. Wo es steht und wie es aussieht. Dann finde ich es rascher und habe noch Zeit für andere Sachen.
Empfehlungen anderer Autoren, Einheimischer oder Touristen
Wo wir gerade schon in Rom waren: den Circus Maximus braucht man als Romanautor im Grunde nicht besichtigen, denn es gibt nicht mehr viel zu sehen. Das Kolosseum hingegen ist bei Sonnenaufgang ein magischer Ort und vermittelt am Besten ein Gefühl für diesen Ort.
Ich schaue mir vorab an, was andere Leute mir zu den Orten, die ich für meine Romane besuchen will, schreiben. Damit erspart man sich manche Enttäuschung und entdeckt kleine Geheimtipps, die in Romanen noch nicht ausgeschlachtet wurden.
Außerdem frage ich immer gerne Einheimische. Beispielsweise habe ich für meinen Roman „Wie der Sturm der Ewigkeit“ einen romantischen, kleinen Ort nahe Lüneburgs gesucht, wo sich meine Protagonisten heimlich treffen könnten. Ein Einheimischer hat mir vorab Fotos von den schönsten Stellen nahe des Flusses geschickt.
An alles gedacht?
Meine Lieblingsrecherche-Orte
Es gibt so Orte, die bleiben einem durch die Recherche immer in Erinnerung. Diese würde ich auch unabhängig von meinen Romanen immer wieder besuchen.
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Liebe Grüße
Quellen
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