Historische Fakten richtig verpacken

In meinem Blog „Kakao, Kuchen und Musketen“ beschäftige ich mich hauptsächlich mit den skurillen und spannenden Ergebnissen der Recherche und gebe einen Abriss über die Epoche, über die ich schreibe und die ich so sehr liebe. Aber in den letzten Wochen ist es mir bewusst geworden, wie sehr sich die Arbeit an einem historischen Roman doch vom Schreiben eines zeitgenössischen Werks anderer Genres unterscheidet und möchte meine Erfahrungen dabei mit Euch teilen. Dieses Mal geht es bei meinem „Autoren-Kaffeekränzchen“ darum, wie man Fakten für den Leser lesenswert, kurzweilig und doch verständlich verpackt, wenn man historische Romane schreiben möchte.

Welche Fakten sind überhaupt wichtig?

So viele wie nötig und so wenige wie möglich. Die Fakten sollten auf das Nötigste reduziert und auf ein möglichst verständliches Niveau heruntergebrochen werden. Denn niemand möchte die Verhandlungen zwischen Österreich und Kaiser Napoleon im Sommer 1813 im Detail vorgekaut bekommen. Wichtig ist meist nur, welche einschneidenden Ereignisse das unmittelbar folgende Handeln im Roman unmittelbar betreffen.

Gab es beispielsweise eine Thronbesteigung, die die politische Lage verändert hat, weil der neue Monarch alte Bündnisse aufkündigt oder ein von der Bevölkerung verhasster Despot oder Schwachkopf ist? Wie ist die wirtschaftliche Lage und wie beeinflusst sie die Figuren. Niemand will wissen, dass der Reispreis gestiegen ist, wenn es um Eisenherstellung geht. Gab es Schlachten oder Gefechte, die Einfluss auf das Leben der Figuren haben (Armut, Verheerungen, Tod von nahestehenden Personen).

Autoren-Kaffeekränzchen

Wichtig ist dabei: Vereinfachen ist wichtig, aber nicht verfälschen. Als Autor sollte man die Lage historisch-neutral wiedergeben können und bewusst mit Beschönigungen aus dem Mund von Figuren spielen. Fakten sollten geprüft werden, Gerüchte und Annahmen als solche auch gekennzeichnet werden, denn manche Leser nehmen Romane für bare Münze.

Wenn ich die Fakten wie unten erwähnt in Dialog- oder Monologform aufbereite und die Figur bei der Erklärung ihre individuellen Ansichten durchscheinen lässt, sollte ich als gewissenhafter Autor dies spätestens im Nachwort richtig stellen.

So verpacke ich historische Fakten lesenswert:

Der Dialog

Die meiner Meinung nach eleganteste Lösung ist der Dialog. Dabei unterhalten sich die Figuren über das Geschehen und man lässt politische und geschichtliche Fakten ganz natürlich in die Konversation einfließen. Schwierig ist dabei, dass die Figuren dem Leser bzw. der Leserin (zur Vereinfachung schreibe ich nun ganz altmodisch „Leser“) im Faktenwissen meist etwas voraus sind, denn schließlich verfolgen sie die Entwicklungen ihr gesamtes Figurenleben hinweg. Wenn sie sich also auf diesem gehobenen Niveau unterhalten, hat der Leser Schwierigkeiten, den Einstieg zu finden.

Auch in meinem Debütroman „Als das Schneeglöckchen fliegen lernte“ verwende ich die Methode, politische Fakten in einem Dialog zu vermitteln

Ein solches Beispiel ist der ansonsten wunderbare und absolut lesenswerte Roman „Die Rose von England“ von Anne Easter-Smith über die Mätresse Richards III. Zu Beginn werden die Ereignisse des Rosenkrieges zwischen den Familien Lanchester und Plantagenet in einem Gespräch wiedergegeben. Die wichtigsten Ereignisse der letzten Schlachten werden zusammengetragen. Abgesehen davon, dass man bei den wenigen damals gebräuchlichen Vornamen durcheinanderkommt, wer jetzt was angestellt hat, muss man sich als Leser erst einmal extern in die Thematik der Rosenkriege einlesen, um die Situation überhaupt zu verstehen. Man muss also einen absolut unwissenden Leser abholen.

Eine gute Möglichkeit dafür ist beispielsweise die Einführung einer Figur, die von der Thematik aufgrund ihrer Biografie wirklich keine Ahnung hat. Somit führt man die Figur und den Leser kleinschrittig in die Thematik ein. Gleichzeitig erfährt man schön, wie die einzelnen Figuren zu dem Geschehen stehen.

Der Monolog des Erzählers

Häufig, gerade in Romanen aus der Sicht eines auktorialen Erzählers oder eines Ich-Erzählers, werden die Informationen im Monolog der erzählenden Instanz aufbereitet. Manchmal gespickt mit individuellen Gefühlen und Ansichten, was dem Ganzen manchmal eine besondere Würze geben kann, denn gerade die Gedanken einer Figur können vor Sarkasmus und schwarzem Humor nur so übersprudeln, während dies in einem Dialog eher unpassend wäre. Außer die Figur ist so ein seltsamer Vogel, der seine Ansichten ungefiltert raushaut.

Autoren-Kaffeekränzchen

Der Monolog eignet sich dadurch ganz gut, weil er die Fakten sehr verkürzt erzählen kann, ansonsten sieht man schon am Schriftbild, dass kaum Handlung oder Dialoge zu finden sind, der Erzähler wendet sich indirekt ohnehin an den Leser und will ihm die Situation erklären.

Ein Problem ist jedoch, dass man rasch in eine Art Info-Dump verfallen kann und den Erzähler nicht zügelt, sodass dieser seitenweise Fachinformationen von sich gibt und man sich wie in einer schlecht vorbereiteten Universitätsvorlesung fühlt. Aber auch den Großen der Weltliteratur ist das schon passiert, beispielsweise Jules Verne in „20.000 Meilen unter dem Meer“ (1874), wo der Erzähler seitenweise die Unterwasserwelt beschreibt und man nur gähnend weiterblättert, außer natürlich man ist Meeresbiologe.

Ein besonders gutes Beispiel für diesen Stil ist Philippa Gregory in ihrer Rosenkrieg-Reihe.

Vorangestellte Informationen

Man kann die Informationen über das historische Setting und die Ausgangssituation natürlich auch aus dem Roman in eine Art Vorwort auslagern. Dabei fasst man diese in wenigen Sätzen zusammen. Ich kennzeichne diese besondere Position zusätzlich dadurch, indem ich sie im Schriftbild hervorhebe, beispielsweise durch Kursivsetzung.

Der Vorteil ist, dass der Leser sofort zügig auf den Stand kommt, wo sich die Figuren gerade befinden- und hier vielleicht auch noch einmal entscheiden kann, ob ihn die ganze Problematik überhaupt interessiert. Hier ist der Ton auch eher wissenschaftlich und rein informativ. Auf diese Zusammenfassung nehme ich in meinem Anhang noch einmal Bezug. Das rundet das ganze Manuskript ab.

Dazu möchte ich euch ein kurzes Beispiel aus einem meiner Romane geben (bestimmt nicht perfekt):

Im Jahr 1806 hatte Preußens Niederlage gegen Frankreich unter Kaiser Napoleon Bonaparte zur Unterwerfung des gesamten deutschen Gebietes geführt. So auch der Lüneburger Raum, der ursprünglich Teil des Kurfürstentums Hannover war, das durch König Georg III in Personalunion regiert wurde und seit 1810 als neu gegründetes Großherzogtum Westfalen unter französische Herrschaft geriet.

Die Menschen in dieser Gegend litten unter der französischen Besatzung und zunehmender Verarmung, denn die neuen Landesherren erhöhten die steuerlichen Belastungen und forderten Sonderzahlungen, Kriegskontributionen und neue Rekruten für ihre Armee. Zudem belasteten fortwährende Truppeneinquartierungen das Land und seine Bewohner.

Doch nach dem missratenen Feldzug der Grande Armée gegen Russland im Winter 1812, begann die Macht und der Einfluss Napoleons zu bröckeln. Zusammen mit Russland rief der preußische König Friedrich Wilhelm III die Bevölkerung der besetzten Gebiete öffentlich zu den Waffen.

Aus: „Das Flüstern des Löwenzahns“ (erhältlich ab 30. November 2022)

Gleichzeitig zeigt man dem Leser schon auf der ersten Seite, dass man Experte für diese Epoche, für das Geschehen ist und gut die Materie beherrscht. Wenn also im Vorwort Napoleon die Twin-Tower in London angreift, sollte man als Leser schon überlegen, ob man ein satirisches Werk vor sich hat oder ob man das Buch nicht ganz schnell zurück ins Regal stellt.

Das Problem ist immer neben der Kürze, die hier verlangt wird, auch dass man sich schnell vorkommt, als würde man den Vorspann für einen neuen Astrix-und-Obelix-Film oder einen Star-Wars-Film schreiben. „Ganz Europa war von Napoleon besetzt. Ganz Europa? Nein, das kleine Dorf Niederbroich an der Rur widersetzte sich standhaft den Feinden.“

Zusammenfassung

Ich denke als Autor_in sollte man ausprobieren, welche Methode für einen geeignet ist. Ich bevorzuge immer eine Mischung aus Vorwort und Dialog, weil ich meine Schwächen im Monolog kenne. Auch hatte ich bisher noch keinen Erzähler, dessen Stimme dafür gemacht gewesen wäre. Andere Autor_innen finden Vorwörter ganz gruselig.

Wenn man sich unschlüssig ist, kann man auch eine Szene mit verschiedenen Methoden ausprobieren und Testleser_innen vorlegen. Ich habe danach auch schon einmal ein Miniquiz bei den Leser_innen veranstaltet, weil ich wissen wollte, welche Fakten sie sich wirklich gemerkt haben. Denn ein bisschen muss schon haften bleiben, wenn der Leser in der Lage sein soll, sich im weiteren Verlauf auf die Handlung zu konzentrieren. Wenn der Leser aber immer wieder parallel bei Wikipedia unterwegs ist, um noch schnell zu checken, wer nochmal die Hunnenrede gehalten hat und wer nochmal dieser General Hoche war, dann verliert man ihn über kurz oder lang. Denn das ist jedem zu anstrengend.

Liebe Grüße

Historische Romane schreiben

Themen:

Romane schreiben, Autoren-Kaffeekränzchen, Fakten, Historischer Roman, Recherche

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