Historische Persönlichkeiten in Romanen

Historische Persönlichkeiten in der eigenen Handlung auftauchen lassen, gibt einem historischen Roman erst die richtige Würze. Doch darf ich einer Person, die tatsächlich gelebt hat, einfach fiktive Dialoge in den Mund legen? Mit dieser Frage möchte ich mich in diesem Beitrag meines „Autoren-Kaffeekränzchens“ befassen.

Warum historische Persönlichkeiten unbedingt in einen historischen Roman gehören!

Man stelle sich einen Asterix und Obelix- Comic ohne Julius Cäsar vor. Die Romane von Philippa Gregory um die Tudordynastie, in der selbige aber nie einen Auftritt haben. Iny Lorentz „Die Tatarin“ ohne einen Auftritt von Peter dem Großen. Da fehlt etwas.

Es fehlt etwas an Authentizität. Historische Persönlichkeiten runden das Bild, das wir mithilfe der Beschreibung von Orten und Lebensweisen der Menschen einer fremden Epoche schaffen wollen, ab. Sie schaffen eine Art Anker, belegen, dass das, was wir beschreiben, der Realität entspricht. Sie sind, wenn es herausragende Persönlichkeiten sind, oftmals der Grund, weshalb Leser zu einem Roman greifen. Weil sie sagen: „Ja, von dem habe ich schon einmal gehört.“ oder „Die Jugendjahre von Friedrich Schiller? Ich kenne seine Gedichte, aber von ihm weiß ich noch denkbar wenig.“

Also: Historische Persönlichkeiten schaffen in einem Roman zusätzliche Authentizität und sind oftmals ein wichtiges Verkaufsargument.

Typische Fehler

Vielleicht bin ich überkritisch. Vielleicht belehrt mich noch jemand oder mir zieht jemand rechtzeitig einer einen Holzhammer über die Rübe, aber ich bekomme die persönliche Krise, wenn ich beim Lesen (oder auch beim Anschauen einer Serie, die angeblich viel Wert auf historische Genauigkeit legt) sehe, dass eine historische Persönlichkeit nicht vernünftig abgebildet wird. Das sorgt dann für mich dazu, dass ich den Roman sofort weglege und auch nicht mehr anrühre. Besagte Serien oder Filme breche ich ebenfalls ab. Künstlerische Freiheit in allen Ehren. Aber da kann man sich an anderer Stelle austoben.

Und für diejenigen, die wissen, was ich für eine Abneigung gegen die Serie „Bridgerton“ habe, wissen, dass es mir dabei um die Darstellung der König Charlotte geht. Oder, wenn eine Figur plötzlich einen Akzent verpasst bekommt, der nicht korrekt ist. Oder wenn eine Person als brutal und dümmlich dargestellt wird, das aber nicht der Realität entsprach. Das empfinde ich besagter Person gegenüber sogar als richtig respektlos. Dann sollte man überlegen, ob man diese Figur nicht gegen eine fiktive austauscht oder ob man im Vorwort kenntlich macht, dass man es mit der historisch korrekten Darstellung nicht wirklich ernst nimmt. Aber dann dürfte dieser Beitrag auch nicht in deinem Interesse sein.

Die historische Persönlichkeit braucht viel Aufmerksamkeit

Hast du dich entschieden, eine Person, die real in der Geschichte existiert hat, in deinem Roman auftreten zu lassen, musst du dir bewusst sein, dass sie mehr Aufmerksamkeit als „normale“ Figuren braucht. Sie ist quasi der Promi unter den Figuren. Wenn du eine Figur erfindest, legst du sehr viel Wert darauf, dass sie authentisch ausgearbeitet ist, dass sie Stärken und Schwächen hat, dass sie einen inneren Konflikt besitzt und noch vieles mehr. Du denkst dir aus, was die Geschichte spannend werden lässt. Hat die Figur jedoch wirklich und wahrhaftig gelebt, musst du all diese Dinge recherchieren.

Angefangen mit dem Aussehen. Die Leserinnen und Leser merken besonders bei bekannten Persönlichkeiten recht schnell, wenn die Figur optisch nicht den gängigen Abbildungen entspricht. Es ist also wichtig, möglichst viele verschiedene Abbildungen zu studieren, da viele im Nachgang stark beschönigt wurden. Vielleicht gibt es auch gar keine Abbildungen oder Fotos. Auch das musst du wissen, auch wenn du dann bei der optischen Gestaltung etwas freiere Hand hast.

Wie sieht es mit den Hobbys aus, weiß man etwas über den Charakter der Person? Liebschaften, Familie, Freundschaften… Wie lief ihre Ehe? Wie ihre Kindheit und Jugend? Gab es besondere Ereignisse in ihrem Leben, die sie geprägt haben? Wie lief die Person, wie redete sie? Hatte sie körperliche Gebrechen? Wie sah ihr Modegeschmack aus? Welche Meinung hatten Zeitzeugen von ihr? Gibt es Kontroversen in der Geschichtsforschung?

All das muss dir bekannt sein. In diesem Rahmen kannst du deine Figur erschaffen. Auch, wenn man das Gefühl hat, dass viele Details schon vorgegeben sind, hat man noch sehr viel Spielraum, kann manche Eigenschaften und Details besonders fokussieren, andere eher weglassen.

Schauen wir uns meinen Debürtroman „Als das Schneeglöckchen fliegen lernte“ an. Dort kommt ein Revolutionsgeneral namens Lazare Hoche vor, der mit meinem Protagonisten befreundet, aber auch sein Vorgesetzter ist, den er sehr bewundert.  Er war eine sehr umstrittene und wohl auch charakterlich eher schwierige Person, die jedoch den vollsten Respekt ihrer Leute hatte. So sehr, dass sie sich dafür einsetzten, dass ihm in Weißenthurm nach seinem Tod ein Monument errichtet wurde. Das hat mich sehr beeindruckt. Gleichzeitig ist seine Rolle im Bürgerkrieg in der Vendèe sehr zwiespältig zu betrachten. Da mir jedoch die Leidenschaft und Kameradschaft, die er in meinem Protagonisten wecken sollte, wichtig waren, bin ich verstärkt auf diesen Charakterzug eingegangen.

Eine historische Persönlichkeit beschönigen?

Bitte nicht! Ich empfinde es als vorrangige Aufgabe neben der Unterhaltung, dass ein historischer Roman auch ein wenig Geschichtswissen vermittelt. Wenn ich also eine historische Persönlichkeit wie Napoleon Bonaparte vor mir habe, darf ich natürlich gerne seine positiven Seiten hervorstreichen. Vielleicht fokussiere ich mich auf die romantische Liebesgeschichte zu seiner ersten Frau Josephine. Zeige ihn von seiner sanftmütigen Seite.

Aber ich darf niemals vergessen, dass dieser Kerl auch ziemlich skrupellos vorgegangen ist. Wie viele Menschen seinetwegen in den Krieg gezogen sind und ein abscheuliches Ende gefunden haben. Und wie er am Ende mit seiner Liebsten verfahren ist, als sich abgezeichnet hat, dass sie ihm keinen Erben gebären würde. Das zu unterschlagen, wäre beinahe fahrlässig und im schlimmsten Fall auch eine bewusst verfälschte Darstellung- deren Intention interessant zu erfahren wäre.

Darf ich einer Person, die real existiert hat, fiktive Worte in den Mund legen?

Ganz ehrlich, das muss man sogar. Selten ist so viel über eine Person bekannt, dass man alle Dialoge ganz eng am wirklichen Geschehen schreiben kann. Oftmals eignen sich diese dann auch nicht für einen Roman, weil wir Menschen im echten Leben selten perfekt reden und es auch viele Gespräche etc. ohne Handlungszuwachs oder Konflikt gibt. In einem Roman wäre das Gespräch zwischen Kaiser Wilhelm II und seiner Ehefrau über das Frühstück aber selten belanglos. Manche Szenen und Gespräche muss man erfinden, um einen Roman verständlich und interessant zu gestalten.

Dennoch habe ich mich anfangs damit auch schwer getan. Ich habe mich gefragt, ob ich der Person nicht schrecklich unrecht tue, wenn ich sie ohne ihre Zustimmung in meinem Roman verwurste. Was bildete ich mir überhaupt ein, die Gedanken und Beweggründe dieser Person zu kennen, sie vielleicht sogar in ihren intimsten Momenten begleiten zu dürfen.

Diese Ehrfurcht, die wahrscheinlich typisch Historikerin ist, musste ich erst einmal ablegen. Am Ende muss man trotz all der Recherche und der Arbeit an diesem Thema eingestehen, dass man eine Romanfigur und nicht die reale Person vor sich hat. Man gibt sich Mühe, die Person gewissenhaft abzubilkden. Wenn man zudem alle Entscheidungen gut begründen kann, dann stehen auch fiktiven Dialogen und Szenen nichts im Wege.

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Liebe Grüße

Kaffeekränzchen

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