Die Toten im Milchborntal
„Kennen Sie eigentlich schon den französischen Friedhof in Bensberg?“, hatte mich ein Journalist vergangenen Herbst gefragt, der mich für einen Artikel kontaktiert hatte. Ich, die ich vorher erklärt hatte, dass ich augenblicklich über die Geschichte meiner Heimat in den Napoleonischen Kriegen recherchiere, habe dann etwas peinlich berührt gemurmelt, dass ich davon noch nie gehört hätte. Aber das musste ich natürlich ändern und nehme euch in diesem Beitrag von „Kakao, Kuchen und Musketen“ mit ins Milchborntal in Bensberg bei Bergisch Gladbach.
Das Schloss und die Thyphus-Toten
Irgendwie klingt das nach dem Titel eines Gruselromans. Besonders, wenn man sich vorstellt, dass das malerische Schloss Bensberg, welches sich auf der Anhöhe über Bensberg erhebt und welches heute ein Luxus-Hotel beherrbergt, vor einigen Jahrzehnten noch gar nicht so schmuck aussah und einige sehr dunkle Kapitel hinter sich gebracht hat.
Im frühen 18. Jahrhundert erbaut, wurde es eher unfreiwillig zu einem Schauplatz einer wenig glorreichen Epoche. Zu dieser Zeit steckten die Österreicher bis zur Nasenspitze im ersten Koalitionskrieg gegen das revolutionäre Frankreich. Frankreich hatte dabei einige Siege verbuchen können. In der zweiten Schlacht von Aldenhoven 1794 besiegten sie die Österreicher und drangen bis zum Rhein vor. Während des Beschusses der Stadt gerieten das Stadtschloss und Teile der Altstadt in Brand. 1797 drangen die Franzosen schließlich ins Rechtsrheinische vor.
Wer bei all diesen kleineren Gefechten und Scharmützeln verwundet wurde, kam in eines der umliegenden Spitäler, beispielsweise nach Königswinter. Diese waren nach kurzer Zeit allerdings stark überlastet und man sah sich nach Alternativen um.
Zu dieser Zeit wurde das Schloss in Bensberg zu einem Lazarett umfunktioniert, was dem Schloss an sich nicht sonderlich gut getan hat. Das Inventar ging verloren, Böden wurden herausgerissen, um damit zu heizen, Stuck und Kamine wurden stark beschädigt. Unter den Kranken und Verwundeten brach mehrfach Thyphus aus und man schaffte die Leichen- es sollen an die 3000 gewesen sein- rasch ins nahegelegene Milchborntal und begrub sie in Massengräbern.
Ein paar Jahre später wütete noch immer der Krieg. Frankreich hatte die Revolution hinter sich gelassen und hatte einen Korsen namens Napoleon 1804 zum Chef ernannt. Und Napoleon hatte nicht so wirklich vor, ein bisschen Frieden in Europa einkehren zu lassen. Als er dann aber 1812 erst in Russland einen Tritt in den Allerwertesten erhalten hat und dieser im Oktober 1813 bei der Völkerschlacht von Leipzig nachdrücklich wiederholt wurde, scheuchte man die französischen Truppen sukzessive in ihr ursprüngliches Gebiet zurück. Bei all den kleinen Gefechten und „Treffen“ zwischen Alliierten und französischen Truppen gab es wieder viele Verwundete, die wieder in das Lazarett nach Bensberg kamen. Dieses stand zu dieser Zeit unter französischer Leitung.
Lange Rede: Auch die Franzosen hatten zu dieser Zeit noch nicht viel von Hygiene gehört und wären unter diesen Bedingungen nicht in der Lage gewesen, sie auch umzusetzen. Es kam also wie es kommen musste: Wieder brach Thyphus aus und wieder erhielten die Toten ihre letzte Ruhestätte im Milchborntal. Insgesamt geht man davon aus, dass über 4000 Soldaten hier begraben wurden.
Die Denkmäler
Der kaiserliche Kirchhof
Kaiserlich? Moment mal! Wieso denn kaiserlich?
Der Name des Denkmals, das im Jahr 1854 errichtet wurde, erinnert daran, dass dies mit Unterstützung des Kaiserreichs Österreich-Ungarn geschah. Teilweise wird der Friedhof daher auch „Österreichischer Friedhof“ genannt, um darauf aufmerksam zu machen, dass hier die österreichischen Soldaten des ersten Koalitionskriegs bestattet wurden.
Zu dieser Zeit waren die Gräber stark verwahrlost, was man zu ändern versuchte. 1853 trat das österreichische Außenministerium mit Bauplänen des Architekten Wilhelm von Schmidt an den König von Preußen heran, unter dessen Herrschaft Bensberg nun lag.
Das Denkmal war schon recht eindrucksvoll oder? Leider ist heute davon nur noch der mittlere Teil sichtbar, die Umfassungsmauern sind verfallen oder wurden abgetragen.
Der französische Kirchhof
Eigentlich wollte man es dabei dann auch belassen. Dann wurde 1855 Oberstleutnant Friedrich Sylvius Ferdinand von Malachowski (1810–1893) der neue Kommandant der Kadettenanstalt, in die das ehemalige Lazarett Schloss Bensberg in der Zwischenzeit umgewandelt wurde, und der war anderer Ansicht.
Man suchte sich also unweit des ersten Denkmals einen weiteren Platz unter den Kiefern aus und errichtete ein weiteres Denkmal für die verstorbenen französischen Soldaten. 1862 kam das große eiserne Grabkreuz dazu, welches von A. Müller aus Lüttich geschaffen wurde und die Inschrift „Aux soldats français, enterrées ici 1813 un compatriote- Den französischen Soldaten, die hier im Jahr 1813 beerdigt wurden, widmet ein Landsmann dieses Kreuz“ trägt.
Und heute?
Die Denkmäler sind heute fast vergessen. Schilder im Ort fehlen gänzlich, man muss schon wissen, was man dort im Wald sucht, wenn man die Orte besuchen will. Die Denkmäler selbst sind zurückgebaut worden und überwuchert, die steinerne Umfassung bröckelt. Lediglich in eine sehr schicke mit teilweise etwas willkürlich wirkenden Infos und Bildern hat man investiert. Ich selbst würde mir wünschen, dass diese Orte, an denen so viele Menschen begraben liegen, ein wenig mehr Würdigung erhalten, denn irgendwann ist von dieser Geschichte und all diesen Schicksalen nichts mehr übrig, als ein Metallkreuz im Wald und ein paar Steinbrocken.
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Liebe Grüße
Quellen:
Die verwendeten Fotografien und Gemälde sind gemeinfrei oder stammen aus privaten Aufnahmen