Parlevu und andere „Halunken“

Vergangene Woche ging es in einer Rezension meines Buches „Wie der Sturm im Frühling“ um ein Schimpfwort, dass die Franzosen von meiner Protagonistin immer und immer wieder um die Ohren gehauen bekommen: Parlevu. Und weil das für Verwirrung gesorgt hat, geht es dieses Mal bei „Kakao, Kuchen und Musketen“ um ein paar sprachliche Relike der Franzosenzeit im Rheinland und im Bergischen Land.

Muskete

Was hatten die Franzosen überhaupt im Rheinland zu suchen?

Eigentlich nichts 🙂

Die Themen „Franzosen im Rheinland“ und „Das Großherzogtum Berg“ sind schon eine Doktorarbeit an sich ist, daher gibt es die historische Einordnung in der Kurzform, wie sie auch in meinem Roman „Als das Schneeglöckchen fliegen lernte“ zu finden ist.

Nach dem Ausbruch der Französischen Revolution im Jahr 1789 und der Absetzung Ludwigs XVI, schlossen sich zahlreiche andere europäische Fürstenhäuser zu einer Koalition zusammen, um die alte Ordnung wiederherzustellen. Zu Beginn gelang es ihnen die expandierenden französischen Revolutionstruppen zurückzudrängen, bis sich das Kriegsglück wendete.1797 hielten die französischen Truppen das gesamte linksrheinische Gebiet besetzt und drängten nun über den Rhein, während die Koalition der europäischen Mächte zusehends verfiel.

1806 übergab der Bayrische König Maximilian I. Joseph das Herzogtum Berg an Napoleon, nachdem es für ihn militärisch eher suboptimal gelaufen war. Dieser organisierte es als Großherzogtum Kleve und Berg (Grand-Duché de Berg et de Clèves), einem napoleonische Satellitenstaat, das er anfangs von Joachim Murat und schließlich durch sich selbst regieren ließ. In den französisch besetzten Staaten wurden die Verwaltung, die Wirtschaft, die Post, das Militär und die Gesetze durch die Franzosen und später durch Napoleon modernisiert.

Dadurch und durch die permanente Präsenz von französischen Soldaten und Beamten schwappte viel der französischen Kultur und Sprache ins Rheinland und auch ins Bergische Land.

Vieles findet sich noch heute in typischen Redewendungen, Straßennamen, im Vokabular wie beispielsweise Cousin/Cousine (mein Lieblingswort ist ja „Plümo“ für die Federbettdecke –> das sagt eine Menge über mich aus, ich weiß), aber auch in Kinderreimen wieder.

Was ist denn nun ein Parlevu?

Man muss jetzt kein Sprachwissenschaftler sein, um festzustellen, dass das Wort „Parlevu“ eine Verballhornung des Französischen „parlez-vous?…“ (dt. „Sprecht ihr…“) ist. Das ist ja bis heute der übliche zweite Satz, wenn man sich mit jemandem in einer fremden Sprache unterhält und vorstellt. Und weil viele Menschen in der Bevölkerung am Rhein nur schlecht oder gar kein Französisch sprachen oder schrieben, wurde daraus der „Parlevu“. Manchmal auch in der Schreibweise „Parlevou“.

Ähnlich verhält es sich mit dem „Kiskedi“. Dieses Wort entstand aus der Frage „Que’est-ce qu’il dit?“ (dt. „Was sagt er?“). Am Niederrhein ist diese Bezeichnung deutlich häufiger zu hören, hier bei uns in Köln und Umgebung bis hin nach Aachen benutzte man häufiger das Wort „Parlevu“.

Die Konnotation hat sich dabei gewandelt. Während der Franzosenzeit war viel Spott dahinter, aber auch Hass und Angst, heute überwiegt der liebevoll neckende Anteil.

Spuren der Franzosenzeit in Kinderversen

Bis heute findet man diese sprachlichen Relike und Erinnerungen beispielsweise in Kinderversen.

„Parlez-vous hat keine Hosen an, Que’est-ce qu’il dit keine Strümpf, Heb dem Kerl das Röckchen auf, und schlag ihm hinten tüchtig drauf!“

findet sich beispielsweise in Krefeld und spielt auf den Einzug der französischen Soldaten ab 1794 an. Damals sah die Revolutionsarmee ziemlich armselig aus. Die Hosen waren zerschlissen oder anderweitig ersetzt, vielen fehlten die Schuhe und sie marschierten barfuß daher.

Ein französischer Nationalgardist in Frankfurt am Main ca. 1792/93 ( Quelle: J.C. Schmidt, In: „Napoleon am Rhein)

Wie finden sich solche Bezeichnungen in meinen Romanen?

In historischen Romanen befindet man sich in einem Dilemma. Man selbst ist ein Mensch, der von der heutigen Gesellschaft erzogen und geprägt wurde. Mein Bild von den Franzosen ist ein gänzlich anderes, als das der Figuren in meinen Romanen. Diese anachronistische Denkweise außen vor zu lassen, ist oftmals das Schwerste in Dialogen und Monologen.

Ein Mittel ist das Vokabular. Meine Figuren benutzen natürlich Schimpfwörter und Bezeichnungen, die in ihrer Zeit gängig waren. Sie beschimpfen sich als „Frösche“, „Rotröcke“ und eben als „Parlevus“. Weil es zu dieser Zeit gehörte und sie von einem Hass und einer Angst vor einander aufwuchsen und ihr tägliches Leben meisterten.

Manche Leserinnen und Leser bemerken dann oft, dass man mir auch anmerken würde, dass ich frankophob sei. Und dass solche Schimpfwörter in einem Roman aus dem Jahr 2022 nichts verloren hätten. Davon distanziere ich mich deutlich und denke sogar, dass das Gegenteil der Fall ist, weil es mir wichtig ist den interkulturellen Konflikt in all seinen Facetten darzustellen. Dazu gehört, dass ich mich als Germanistin mit interkultureller Kommunikation und den daraus entstandenden Kommunikationsfehlern und Missverständnissen auseinandersetze.

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Als das Schneeglöckchen fliegen lernte

Wie der Sturm im Frühling

Wie der Sturm der Ewigkeit

Liebe Grüße

Musketen

Quellen

Siemes, Helena: Literarische Relikte der ‚Franzosenzeit‘ am Niederrhein in populären Texten. In: Wilhelm, Jürgen (Hrsg.): „Napoleon am Rhein“. Köln 2012. S. 87ff.

Werner, Gerhart: Wuppertal in Napoleonischer Zeit. Wuppertal 1967.

Themen:

Allgemein, Als das Schneeglöckchen fliegen lernte, Historischer Roman, Kakao Kuchen und Musketen, Kakao, Kuchen & Musketen

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