Die Russisch-Deutsche Legion

Irgendetwas ist falsch. Da ist ja gar kein Franzose auf dem Foto! Was hauptsächlich daran liegt, dass die vergangene Woche unter dem Zeichen der Spionage stand. Ich habe mich nämlich für meinen Roman (und natürlich auch für meinen Blog Kakao, Kuchen und Musketen mal ein paar Gegner Napoleons unter die Lupe genommen. Darunter die Russisch-Deutsche Legion.

Bitte wer?

Ja, so habe ich auch aus der Wäsche geguckt, als ich das erste Mal auf einer Gefechtsaufstellung lediglich die Abkürzung „RDL“ gesehen habe.

Knötel, Richard: Handbuch der Uniformkunde

Bei der Russisch-Deutschen Legion handelt es sich um ein Truppenkontingent in russischen Diensten, das vornehmlich aus deutschen Soldaten rekrutiert wurde. Ich erkläre mir das so, dass der russische Zar sich mit zwei Problemen konfrontiert sah. Einmal war die Deutsche Legion des Königs in britischen Diensten extrem erfolgreich und so etwas wollte er dann auch haben (Männer!) und zum zweiten hatte er während des Russlandfeldzugs Napoleons ziemlich viele Kriegsgefangene gemacht und die musste man ja irgendwie beschäftigen. Warum also nicht eine eigene Legion aufstellen, die die eigenen Truppen im Kampf gegen Napoleon unterstützte?

Adler oder Pleitegeier?

Daher wurde die Legion 1812 auf Anregung Herzogs Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg aufgestellt, aber von den Briten bezahlt (*hust*, also sie hatten ganz bestimmt die feste Absicht das zu machen, gaaaanz bestimmt) und ausgerüstet. Dadurch erhielten die Briten das Recht, die Generäle zu bestimmen und die Legion auf dem europäischen Festland nach eigenem Ermessen auszusetzen.

Abbildung eines Offiziers der Russisch-Deutschen Infanterie in der Dömitzer Bilderhandschrift von 1813

Für diese Truppe ließ man ordentlich Werbung machen, in der Hoffnung, viele Soldaten in französischen Diensten zum Überlaufen zu bewegen. Besonders Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein, der in russischen Diensten stand, machte ordentlich Propaganda für die Legion, aber auch direkt an der Front versuchte man die Männer abzuwerben, was beispielsweise Generaloberst Tiedemann mit seinem Leben bezahlte, denn der wurde bei der unerwünschten Werbepause erschossen.

Ähnlich unglücklich empfinde ich den gesamten Ablauf dieser Legion. Im Oktober 1812 wurde sie komplett nach Finnland verschifft, verlor jedoch bei einem Schiffbruch ihre gesamte Ausrüstung. Unter den Soldaten grassierte eine schwere Typhusepidemie, die viele das Leben kostete. Erst im Juni 1813 wurde sie auf die Kriegsschauplätze verschifft, aber die Ausrüstung war unzureichend. Nur etwa jeder dritte Soldat erhielt ein Gewehr und die waren nur ausgeliehen und mussten in Königsberg zurückgegeben werden.

1814 wurde die Legion von den Preußen übernommen und bezog 1815 im Bergischen, meiner Heimat.

Die Uniform der Infanterie

Meine Recherche bezieht sich bislang nur auf die Infanterie, daher soll hier auch nur ihre Uniform betrachtet werden. Die der Husaren und der Artillerie ist noch einmal ganz speziell, weshalb ich ein anderes Mal darauf zurückkommen möchte.

Ich bin ja bislang nur die sehr, sehr, sehr prächtigen Uniformen der französischen Streitkräfte und ein bisschen die der Briten gewohnt. Dagegen war die Uniform der RDL, die ich mir ansehen durfte, sehr schlicht. Inzwischen wisst ihr, wie knopfversessen ich bin, daher war ich fast enttäuscht, dass die Knöpfe sehr schlicht und glatt waren, statt wie bei den Franzosen kleine Visitenkarten darzustellen.

Charakteristisch ist hier der dunkelgrüne Uniformrock der russischen Linieninfanterie, wobei die Ärmelaufschläge und die Kragen hellblau, die Rockschöße rot gefärbt waren. Dazu gab es dunkelgraue Hosen, wobei- und das fand ich mega praktisch- die Gamaschen integriert waren. Auf dem Kopf trugen die Soldaten eine besondere Tschakoform, einen schwarzen Kiwer, mit schwarzem Augenschirm. Dazu gab es noch einen dicken Wintermantel, der, wenn man ihn nicht anhatte, auf besondere Weise eingerollt und quer über die Brust geschnürt getragen wurde.

Wie stark war die RDL?

Russisch-Deutsche-Legion bestand insgesamt aus 8 Infanteriebataillonen, 1 Jägerkompanie, 2 Husarenregimentern und 2 reitenden Batterien. Das 5. Bataillon wurde jedoch im Dezember 1813 wegen Feigheit vor dem Feind schon wieder aufgelöst. Laut Akten waren das etwas mehr als neuntausend Soldaten, von denen jedoch im Juni 1813 nur fünftausend an die Front geschickt wurden. Ab Sommer 1813 war Generalleutnant Ludwig von Wallmoden-Gimborn Oberbefehlshaber.

Welche Rolle spielt die Legion in meinen Romanen?

Mein Roman „Wie der Sturm der Ewigkeit“ und mein Manuskript mit dem Arbeitstitel „Die Klauen des Adlers“ behandeln die Schlacht an der Göhrde im September 1813. Besonders das 3. Bataillon unter Oberstleutnant Wardenburg und das 7. Bataillon unter Major von Reiche tauchen dabei bei mir auf.

Im Roman „Wie der Sturm der Ewigkeit“ besetzen russisch-deutsche Soldaten dabei einen kleinen Gutshof nahe Oldendorf, einem Nebenschauplatz der Göhrdeschlacht. Dabei kommt es zu einem fiktiven Scharmützel zwischen der Legion und den Chasseurs á Cheval, deren Capitaine mein Protagonist Nicholas de Lohnois ist – das gewinnen natürlich die Franzosen, ist ja klar. Aber auch die Propaganda, mit der die Russen, aber auch die Briten unter der Bevölkerung Werbung für ihre Legionen machten, wird in dem Roman aufgegriffen.

Warum meine Experten früher ergrauen und ich quasi Eigentum der britischen Krone bin

Musketen

Ich glaube, alle meine Rechercheexperten wissen, wie schusselig ich beizeiten sein kann. Ich brauche immer drei bis zehn Ansätze, bis ich eine Schlachtdarstellung verstehe und meist purzeln Einheiten und Kommandeure bei mir wild durcheinander und wenn die dann auch noch dieselbe Uniformfarbe haben, dann würden sie glaube ich manchmal gerne das weiße Fähnchen hissen (was sich als Franzosen natürlich verbietet).

Auch ein Mitglied der Deutschen Legion des Königs aus Hamburg habe ich damit schon an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht. Ich war mir nämlich sicher, dass Jäger seiner Legion das Dörfchen Oldendorf angreift und habe ihn gepflegt mehrere Wochen nach einem dubiosen Kommandeur suchen lassen, der natürlich nirgendwo aufgetaucht ist, weil er Russe war und weil ich den Namen falsch gelesen habe.

Was für ihn schrecklich viel Arbeit und mit vielen Nachfragen in Archiven verbunden war und schließlich mit einem liebevollen Rüffel endete, als ich den Namen des Offiziers dann endlich richtig entziffert hatte, war für mich weniger dramatisch. Die Uniformfarbe der Jäger war nämlich ebenfalls weitestgehend grün und ich musste mit Suchen-und-Ersetzen nur in den Namen der Einheit der grünuniformierten RDL ändern. Verraten wir ihm aber nicht, oder?

Der nächste Knaller folgte dann keine Woche später, als ich Rechercheliteratur an die KGL falsch frankiert zurückgeschickt habe und durch die Nachzahlung jetzt derartig in der Kreide stehe, dass ich laut meines Experten „als Kanonenfutter eingezogen“ werde.

Mein Rechercheausflug

Ein erstes kleines Dankeschön geht an meinen Experten Andreas Fischer, der mir den Kontakt zu dem Autor und Mitglied der Deutsch-Russischen Legion, Jean-Noël Charon, hergestellt hat, den ich vergangenen Samstag besuchen durfte, um mich einmal durch seine Sammlung zu wühlen. Das war für mich ein doppelter kleiner Fanmoment.

Einerseits, weil ich eines der Bücher von Herrn Charon bereits für meine Recherche zu einer Figur in meinem Roman „Als das Schneeeglöckchen fliegen lernte“, General Lazare Hoche, verwendet hatte und es sooo gut fand. Das andere war, dass ich besagtem General durch zahlreiche originale Fundstücke noch einmal ein wenig näherkommen konnte (aber dazu ein anderes Mal, wenn es um den lieben Lazare geht).

Bei sehr leckerem Apfelkuchen, Kaffee und zum Abschluss einem tollen Abendessen mit Käse und Wein bin ich bei der Sichtung der umfangreichen Sammlung fast rückwärts umgefallen. Originale Waffen sowohl aus Napoleonischer Zeit als auch aus der Wilhelminischen Epoche, dazu originale Schriften, Kanonen- und Musketenkugeln… Es war gigantisch.

Und so konnte ich neben ein paar originalen Musketenkugeln für meine Sammlung (irgendwie ziehe ich jedem Experten immer etwas zur Erinnerung ab, wie gesagt: Lehrer sind Jäger und Sammler) ein paar wichtige Schriftstücke für meinen Roman zur Schlacht an der Göhrde, inklusive einer Truppenaufstellung, mitnehmen.

Ein großes Dankeschön

An dieser Stelle gibt es ein großes Dankeschön. An Jean-Noël Charon und seine liebe Frau, die meinen Mann und mich so herzlich willkommen geheißen und direkt zu einem Wiederholungsbesuch eingeladen haben. Deine Sammlung und dein Wissen sind irre und danke, dass ich daran Anteil haben durfte.

Danke an Andreas Fischer für die Herstellung des Kontaktes und danke an Andreas Springer für die Bereitstellung der Knöteltafeln, die mir die Arbeit beinahe jeden Tag unfassbar erleichtern.

Jetzt kommt der Teil mit der Werbung

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Als das Schneeglöckchen fliegen lernte

Wie der Sturm im Frühling

Wie der Sturm der Ewigkeit

Liebe Grüße

Musketen

Die Sache mit den Quellen

Hemmann, Thomas: Die Dömitzer Bilderhandschrift aus dem Jahr 1813. Norderstedt 2010. S. 73ff.

Quistorp, Barthold: Die Kaiserlich Russisch- Deutsche Legion. Berlin 1860.

Knötel, Richard: Handbuch der Uniformkunde.

Themen:

Allgemein, Als das Schneeglöckchen fliegen lernte, Historischer Roman, Kakao Kuchen und Musketen, Kakao, Kuchen & Musketen, Recherche, Reenactment

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