Zu Besuch bei General Marceau

Ehrlich gesagt, liegt besagter Besuch auf dem Franzosenfriedhof in Koblenz nun schon etwa zwei Jahre zurück, doch ich habe einige Zeit gebraucht, um mein Material zu sichten und die Zeit zu finden, ausführlich darüber zu schreiben. Aber heute möchte ich euch zu diesem von der Öffentlichkeit halb vergessenen Ort in meinem Blog „Kakao, Kuchen und Musketen“ mitnehmen.

Wer war General Marceau?

Jedes Mal, wenn ich Francois Séverin Marceau auf Portraits sehe, denke ich, dass er erstens verflucht jung war, als er mit gerade einmal 27 Jahren am 19. September 1796 in Höchstenbach verwundet wurde und zwei Tage darauf verstarb, und dass er immer sehr melancholisch dreinblickt.

Matthias Gottfried Eichler, Der Tod des General Marceau, 1817

Laut Berichten von Zeitzeugen war es das auch und neigte besonders in Friedenszeiten (Herumsitzen und sich ein ordentliches Hobby suchen, war wohl nicht sein Anspruch) und in seinen letzten Lebensjahren zu Schwermut. Seiner Schwester Emira schrieb er beispielsweise, dass er sich nicht der Lorbeeren erfreuen könne, die er auf dem Schlachtfeld errungen habe, weil sie mit Blut befleckt seien.

François Bouchot, Marceau, 1840

Doch obwohl er auf den Gemälden immer recht harmlos aussieht und fast jungenhafte, weiche Gesichtszüge hat, soll er als Kommandant von der ganz harten Sorte gewesen sein, sodass sich entsprechende Bemerkungen und Schilderungen in zahlreichen Berichten seiner Zeitgenossen finden.

François Séverin Desgraviers-Marceau wurde am 1. März 1769 in Chartres geboren. Er besaß eine ältere Schwester, Emira, die ihm sehr nahe stand und die großen Einfluss auf seine Erziehung nahm. Marceaus Karriere war in ihrer rasanten Geschwindigkeit typisch für jene Zeit. Mit sechzehn Jahren trat er entgegen dem Willen des Vaters in die Armee ein, sieben Jahre später besaß er bereits einen Generalsrang. 1792 wurde er zum Armeekommandanten erhoben.

Seine Glanzstunden erlebte er, während er den Aufstand in der Vendée bekämpfte. Als seinen größten militärischen Erfolg sieht man daher die Einnahme der Stadt Le Mans nach der Schlacht bei Le Mans am 12. und13. Dezember 1793 und die anschließende Verfolgung und Vernichtung der Aufständischen in der Schlacht bei Savenay

Jean Sorieul, General Marceau mit seinen Truppen im Straßenkampf von Le Mans im Dezember 1793, Ölgemälde 1852

Und privat?

Privat fällt immer wieder seine Nähe zu seiner älteren Schwester auf, zu der er regen Briefverkehr hielt. Mit vierundzwanzig Jahren verlobte er sich während eines Hospitalaufenthaltes (offensichtlich hatte er dort genügend Zeit für die wichtigen Dinge im Leben) mit der sieben Jahre jüngeren Agathe Leprêtre de Chateaugiron. Zu einer Eheschließung kam es aufgrund seines frühen Todes jedoch nie.

Was gibt es auf dem Franzosenfriedhof heute noch zu sehen?

Der Franzosenfriedhof liegt in Koblenz-Lützel an der Straße „Am Franzosenfriedhof“ und diente als letzte Ruhestätte für 312 französische Soldaten, die während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 in Kriegsgefangenschaft verstorben waren.

Das Highlight des Friedhofs bildet jedoch das Marceau-Denkmal, welches ursprünglich auf Veranlassung von General Klebér, einem engen Freund des Verstorbenen, auf dem Petersberg errichtet worden war. Dieser veranlasste unter den Offizieren und Unteroffizieren der Sambre- und Maas-Armee eine Geldsammlung und so konnte statt eines einfachen Grabes sogar eine Pyramide nach den Plänen von Peter Joseph Krahe errichtet werden, in welcher die Urne des Toten aufbewahrt wurde. Und weil man sich beim Bau nicht lumpen lassen wollte, wurde ein Relief mit der Inschrift HIC CINERES, UBIQUE NOMEN« (deutsch: Hier ist die Asche, der Name ist überall) eingesetzt.

Frontalansicht der Pyramide mit dem Löwen-Relief, Quelle: privat

1804 wurde das Grabmal jedoch geplündert. Die Grabräuber hofften Wertgegenstände in der Pyramide zu finden, was jedoch nicht der Fall war. Die Urne wurde daraufhin aus der Pyramide entfernt und gelangte nach Paris, wo sie im Panthéon ausgestellt wurde. Das zerstörte Relief wurde durch das noch heute sichtbare Löwenrelief ausgetauscht

Das Friedhofstor, Quelle: privat

Als man im Jahr 1817 das Grundstück, auf dem sich die Pyramide befand, für den Bau einer Festung benötigte, wurde das Grabmal erneut aufgebrochen. Da Baumaterial teuer war, wurden zahlreiche Steine aus der Pyramide beim Bau der Festung wiederverwendet- zumindest bis der preußische König sein Veto gegen diese Praxis einlegte und verfügte, dass das Grabmal am Fuße des Berges wieder aufgebaut werden solle. Dies geschah. Da allerdings zahlreiche Steine fehlten, ist die Pyramide heute deutlich kleiner.

Überblick über die Gräber aus den Jahren 1870/71, Quelle: privat

Die Zuständigkeiten für den Friedhof, von dem einige Teile noch heute im Besitz des französischen Staates sind, sind oftmals nicht richtig geklärt. Die letzte Restaurierung fand in den Jahren 2013/2014 statt.

Unser Besuch auf dem Friedhof

Unser Besuch im Juli 2021 war eher spontan und so fuhren wir an einem wolkenverhangenen Sonntagvormittag nach Koblenz, Kinder im Gepäck, die ungefähre Adresse im Navi. Allerdings waren wir uns längere Zeit nicht einmal sicher, ob wir uns überhaupt am richtigen Ort befanden, denn das Stadtviertel wirkte recht verwahrlost und schmutzig, die Straße „Am Franzosenfriedhof“ wirkt wenig einladend.

Als wir schon umkehren wollten, entdeckten wir schließlich endlich ein kleines, unauffälliges Schild am Straßenrand und fanden schließlich den versteckten Friedhof. Dieser wirkte, als hätte man ihn versehentlich in diese Umgebung versetzt. Goldene Lettern am Zaun, ordentlich getrimmter Rasen im vorderen Bereich, eine informative Stele… Aber sobald man durch das Tor trat, musste man feststellen, dass auch der Friedhof größtenteils sich selbst überlassen worden war.

Das Denkmal Marceau, Quelle: privat

Die Grabsteine standen kreuz und quer, schief und verwuchert da, manche waren kurz davor umzustürzen. Die Wege waren überwuchert, das Gras stand an manchen Stellen wadenhoch. Die Treppen des großen Marceau-Denkmal waren marode, Steine lösten sich und die Pyramide wirkte ebenfalls, als hätte man ihre Existenz längst vergessen.

Wir haben uns dennoch Zeit genommen und sind den Friedhof Grabstein für Grabstein abgelaufen. Aber es ist wirklich bedauerlich, wenn man sieht, wie ein solches Denkmal dem Verfall preisgegeben wird und damit ein Stück Landesgeschichte in Vergessenheit gerät.

Jetzt kommt der Teil mit der Werbung

Dir hat der Artikel gefallen? Vielleicht sind meine Romane etwas für Dich? Leseproben, Klappentexte und Buchtrailer findest Du HIER

Meine Romane sind als Taschenbücher überall im Buchhandel und als E-Books überall im Buchhandel erhältlich. Signierte Taschenbuch-Exemplare kannst Du per E-Mail ganz einfach und ohne Aufpreis bestellen.

Liebe Grüße

Musketen

Quellen:

Alle in diesem Beitrag verwendeten Fotos und Gemälde sind gemeinfrei oder anderweitig gekennzeichnet. Die Fotos sind urheberrechtlicht geschützt.

Max Bär: Aus der Geschichte der Stadt Koblenz. 1814/1914, Krabbensche Buchdruckerei, Koblenz, 1922.

Minola: Die Franzosen in Coblenz 1794-1797, S. 116–117

Themen:

Kakao Kuchen und Musketen, Kakao, Kuchen & Musketen

Teilen: