Exekutionen- und eine angebliche, romanhafte Flucht

Für meinen Roman über die Schlacht von Barrosa habe ich mich vor ungefähr einem Jahr mit Hinrichtungen von Militärangehörigen geschäftigt. Und die Abläufe, wie soetwas zur Zeit meiner Romane praktiziert wurde, war überraschend komplex, sodass ich sehr lange damit zugebracht habe, eine Vorstellung davon zu bekommen.

Davon möchte ich euch heute auf meinem Blog „Kakao, Kuchen und Musketen“ berichten und habe am Schluss noch die Geschichte eines zu Tode Verurteilen für euch, dem angeblich eine ganz spektakuläre Flucht gelungen sein soll- so spannend, dass die Story zumindest auf meiner Liste für zukünftige Romanprojekte gelandet ist.

Aber daher (wie von einigen gewünscht) eine kleine Triggerwarnung zu Beginn: Der Text behandelt die Hinrichtung von Personen und kann daher belastend oder verstörend wirken. Explizite Beschreibungen des Sterbevorgangs werden nicht behandelt, es handelt sich nur um eine Beschreibung der formalen Abläufe.

Ein kleiner Strafkatalog

Ganz besonders spannend finde ich immer, dass in den Soldbüchern der französischen Soldaten am Ende eine Liste angehängt ist, welches Vergehen mit welcher Strafe geahndet wurde. Ob es Festungshaft gab, wie lange diese andauerte oder ob es einem ans Leben ging. Transparenz wurde also ganz groß geschrieben; nicht, dass am Ende noch einer behauptete, noch nie davon gehört zu haben, dass man beispielsweise für Desertation eine Menge Ärger bekommen hat. Auf dem Foto seht ihr einmal einen kleinen Auszug.

Auszug aus einem Soldbuch (Replik) mit einer alphabetischen Auflistung verschiedener Vergehen und der damit verbundenen Strafe (Quelle: A.W.)

Wie wurde bis 1793 in der Französischen Armee hingerichtet?

In der Ordonnance de service des places aus dem Jahr 1768 steht beispielsweise noch, dass die übliche Hinrichtungsmethode das „Hängen“ des Verurteilten die übliche Strafe war. Dazu musste der Urteilte auf die Knie gehen und bekam sein Urteil verlesen, ehe er dem Henker übergeben wurde.

Erschossen wurde ein Straftäter nur, wenn gerade kein Henker anwesend war, das musste aber am Ende der Urteilsverkündung schriftlich vermerkt werden. Spannend fand ich dabei, dass den anwesenden Truppenteilen (das konnte auf Festungen beispielsweise die gesamte Garnison sein) bei Androhung der Todesstrafe verboten wurde, für den Verbrecher Gnade zu fordern (vgl. Art. 40-44).

Wie sah das Ganze danach aus?

Ab 1793 waren Hinrichtungen durch Erhängen unüblich geworden.

Eine Quelle, wie Hinrichtungen seitdem abliefen, ist dabei das Militärische Strafgesetzbuch für alle Truppen der Republik im Kriege aus dem Jahr 1793. Dabei wird genau angegeben, wer die Exekution durchzuführen hatte, nämlich vier Sergents, vier Caporäle (oder Caporaux- ich finde den Plural immer noch nicht schön) und vier Füsiliere. Die zwölf Mann stellten sich in zwei Gliedern, also zwei Reihen auf.

Fünfzig Mann unter Waffen und/oder Gendarmerie, falls diese vor Ort war, führten den Verurteilten zum Ort der Exekution und achteten darauf, dass die Abläufe vor, während und nach der Hinrichtung nicht gestört wurden (scheint öfter vorgekommen zu sein, wenn man so viele Leute anschleppt). Und auch die Truppe des zum Tode Verurteilten war wenn möglich anwesend (sollte ja auch erzieherische Folgen haben der ganze Aufwand).

Wenn der Verurteilte ankam, schlugen die Trommler das Signal Aux Champs (das klingt so), bis der Verurteilte vor dem Erschießungskommando angekommen war. Danach folgte das Signal Le Ban (das klingt so). Der anwesende Offizier, meist Capitaine (also Hauptmann) verlas das Urteil. Abweichungen gab es darüber, ob der Verurteilte bei der Vollstreckung kniete oder stand oder ob er eine Augenbinde trug. Im Gesetzbuch gibt es dazu keine Vorgaben. Dann wurde aus kurzer Distanz auf den Verurteilten geschossen.

Es gibt dabei auch Abweichungen darüber, ob vor Ort gemeinsam in Anwesenheit des Delinquenten geladen wurde (bei zwölf einzelnen Schritten war das für alle Anwesenden eher unschön) oder ob die Soldaten mit geladener Waffe im Arm gewartet haben und dann nur noch die Signale Portez … armes! Peloton … armes! Joue! Feu! gegeben wurden.

Ebenso war es von Fall zu Fall verschieden, was geschah, wenn der Hinzurichtende die erste Salve überlebte. Entweder wurde dann erneut durchgeladen, manche Quellen berichteten von einem Reserve-Peloton, das bereits geladen hatte. Manche Quellen berichten von einem Gnadenschuss durch einen Offizier.

Die unglaubliche Geschichte des General Ney

Wenn man Quellen zum Thema „Exekutionen zur Zeit Napoleons“ sucht, stößt man relativ schnell auf die Hinrichtung des Maréchal d’Empire Michel Ney (1769-1815). Dieser hatte treu unter Napoleon I gedient, war von diesem sogar als „Tapferster unter den Tapferen“ bezeichnet worden.

Michel Ney, Marshall of the French Empire, Duc of Elchingen, Prince of Moscow .1812

Als Napoleon jedoch 1814 mit seinen Truppen unterlag und Paris auch in die Hand des Feindes fiel, drängte er seinen Chef zur Abdankung und trat in die Armee des Bourbonenkönigs über.

Allerdings nicht lange. Als Napoleon 1815 von Elba floh, wurde er zusammen mit einem Regiment ausgesendet, ihn gefangen zu nehmen, lief aber direkt mit dem gesamten Regiment zu seinem Kaiser über. Er kämpfte dann auch sehr tapfer in Waterloo (angeblich wurden fünf Pferde unter ihm erschossen, ehe er zum Schluss zu Fuß stürmte).

Nach der endgültigen Niederlage Napoleons wurden auch die Offiziere, die ihn erneut unterstützt hatten, verurteilt und bestraft. Ney wurde von Vertrauten mehrfach nahegelegt aus Frankreich zu fliehen, was er jedoch ablehnte.

Kurz darauf wurde er verhaftet und in verschiedenen Haftanstalten festgehalten. Darunter auch der Concergerie, dem „Lieblingshotel“ der Franzosen für politische Gefangene. Am 8. November 1815 wurde er vor ein Kriegsgericht gestellt und einen Monat später nahe dem Pariser Jardin du Luxembourg erschossen.

Das Besondere an der Hinrichtung

Die Hinrichtung an sich gab noch einmal einen Einblick in das Selbstverständnis des tapferen Offiziers, der eine Augenbinde verweigerte, in einfacher Zivilkleidung auftrat und den Soldaten, die zu seiner Erschießung abkommandiert waren, erklärte, dass er den Feuerbefehl selbst geben wolle. Er würde sich dazu auf die Brust schlagen. So geschah es auch. Dabei erklärte er:

„Soldaten, wenn ich den Feuerbefehl gebe, schießt auf mein Herz. Wartet auf den Befehl. Es wird der Letzte sein, den ich euch gebe. Ich protestiere gegen meine Verurteilung. Ich habe in hundert Schlachten für Frankreich gekämpft, aber nicht eine gegen es. […] Soldaten schießt!“

Die angebliche Flucht

Genau diese Details wurden Jahre später interessant. 1820 tauchte in North Carolina nämlich ein Mann auf, der sich Peter Stewart Ney nannte, dem erschossenen Mareshall ziemlich ähnlich gesehen haben soll und der sich als Schullehrer mehr oder weniger gut durchschlug.

Er soll über dieselben Narben und Wundmale erfügt haben, wie der Verstorbene und auch seine Handschrift, die ein Jahrzehnt nach seinem Ableben von einem Experten untersucht wurde, soll eine verblüffende Ähnlichkeit aufgewiesen haben. Auch soll er sehr gerne über Napoleon und dessen Feldzüge erzählt haben und besaß ein großes Insiderwissen. Auffällig war auch, dass er an dem Tag, an dem er von Napoleons Tod erfuhr, zahlreiche Dokumente vernichtete und danach versuchte, sich das Leben zu nehmen. Ehemalige Soldaten, die unter ihm gedient haben, sollen ihn zudem eindeutig erkannt haben.

Jean-Léon Gérôme: Michel Neys Hinrichtung am 7. Dezember 1815 (1868)

Auf seinem Sterbebett berichtete er von seiner spektakulären Flucht. So soll er sich bei der angeblichen Erschießung nur deshalb auf die Brust geschlagen haben, um eine Kartusche mit Blut zu zerschlagen. Die ebenfalls in den Plan eingeweihten Soldaten feuerten absichtlich daneben, der Mediziner, der seinen Tod feststellen sollte, war ebenfalls beteiligt. Spannend ist, dass nicht nur das französische Militär damit die Flucht möglich machte, sondern dass er angab, dass der Duke of Wellington ebenfalls seine Finger im Spiel gehabt haben soll.

Ob das stimmt? Historiker schenken dieser Geschichte kaum Beachtung. Sie deckt sich weder mit dem Ehrgefühl und dem Charakter des zum Tode Verurteilten, für den eine Flucht ehrlos gewesen wäre und der auch seine Familie in Schande gestürzt hätte. Zudem gab es kein Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Frankreich, sodass er gar nicht so ein Theater zum Schutz seiner Identität hätte veranstalten müssen.

Sowohl in Frankreich als auch in England besaß er trotz allem ein hohes Ansehen und seine Familie war vermögend, daher hätte er sich bei einer Flucht ein schönes Leben machen können. Ein Gentest zwischen Nachfahren von Michel Ney und den Gebeinen des Peter Stewart Ney ist wohl die einzige Möglichkeit das Rätsel noch zu lösen. Aber eine spannende Geschichte ist es allemal, oder?

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Als das Schneeglöckchen fliegen lernte

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Liebe Grüße

Musketen

Ach so, Quellen habe ich auch noch:

Ordonnance de service des places, du 1er mars (1768)

Code pénal militaire pour toutes les troupes de la République, en temps de guerre (1793)

Ernst Klitscher: Michel Ney. Soldat der Revolution – Marschall des Kaisers. Saarbrücken 1993

http://www.demi-brigade.org/ –> Praktisches –> Hinrichtungen (letzter Zugriff: 11. Dezember 2021)

https://www.saarland-lese.de/streifzuege/geschichtliches/wurde-marschall-ney-nur-zum-schein-hingerichtet/ (letzter Zugriff: 11: Dezember 2021)

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