Was hat ein Soldat der Grande Armée eigentlich im Tornister?
Wenn man sich meine Handtasche anschaut, dann bekommt man wohl einen ziemlichen Nervenzusammenbruch. Ich kann manchmal selbst nicht erklären, warum ich manches mit mir herumschleppe. Da sind natürlich Geldbörse und Papiere, mein Handy (ja, mein Autorenhandy hat schon bessere Zeiten gesehen), Schlüssel, Schminksachen, Lippenbalm, aber auch typische Mama- und typische Autorendinge.
Meine Notizbücher, eines für allgemeine Dinge und eines für den aktuellen Roman (der zweite Teil der „Wie der Sturm-Reihe“ ist nämlich schon in Planung), mein Mäppchen, Ersatz-Schnuller (natürlich normalerweise hygienisch verpackt), Fundstücke meiner Kinder (den Stein schleppe ich seit Tagen herum…), Desinfektionsmittel, etwas Rechercheliteratur, mein Rosenkranz (den ich bei meiner Recherche in Aachen geschenkt bekommen habe), meine Glücksmusketenkugel und mein Uniformknopf der 8ème, die ich bei wichtigen Gesprächen immer in der Hand habe.
Also alles, was ich zum täglichen Überleben (und bei einer spontanen Landesflucht) brauche. Und die Handtasche ist verdammt schwer. 4kg. „Ein bisschen viel!“, würde jetzt jeder Orthopäde sagen.
4kg? Darüber konnten Soldaten der Grande Armée nur müde lächeln
Während meiner Recherche habe ich mich auch einmal gründlich mit dem Inhalt eines Soldatentornisters (am Beispiel der Grenadiere) auseinandergesetzt. Jeder Soldat besaß einen solchen Tornister, der aus einem Ziegenfell bestand, der auf ein Holzgerüst gespannt war. Neben dem ohnehin schweren Uniformrock, der Muskete, der Trinkflasche, dem Tschako, der Patronentasche und des Sabre Briquets (was das nochmal alles ist, erfährst du HIER), wurde dieser Tornister beim Marsch getragen und beinhaltete alle Habseligkeiten des Soldaten.
Dann legen wir mal los: Von Überhosen, Klopfer und Putzsand
Ich war immer der Ansicht gewesen, dass die Soldaten ihren Kram einfach in den Tornister gepackt haben- so wie wir früher in der Schule. Hauptsache die Schnallen gehen am Ende zu. Aber nein, der Tornister wird ordentlich nach einer bestimmten Regel gepackt und das auch regelmäßig kontrolliert. Sogar das Binden der Schnallen war streng vorgeschrieben.
So bestand der Tornister aus vier Abteilen. Die beiden großen Fächer vorne und hinten, dann ein Fach an der Seite und ein Fach oder Sack in der Klappe.
In das vordere Fach kamen die Lebensmittel, das heißt ein Teil der Brotration (der Rest wurde auf dem Tornister befestigt, was aber dazu führte, dass das Brot schnell feucht wurde, austrocknete oder verschmutzt wurde), Salz und gekochtes Fleisch, das in Papier eingewickelt ist. Dazu kam oft das sorgsam eingepackte Essbesteck.
In das hintere Fach kam die saubere Wäsche. Zu unterst die Hemden, die säuberlich zusammengerollt werden. Daneben kommen die Strümpfe (am besten zwei Paar), die Halsbinde, das Taschentuch und die Kopftücher. Darüber wiederum kommt die zusammengefaltete Überhose, wenn diese beim Marsch nicht gerade zum Schutz der weißen Uniformhose getragen wurde.
In die Hose steckte man die Utensilien zum Reinigen der Kleidung, also Knopfholz und Klopfer. Das hatte den Sinn, dass diese harten Gegenstände beim Marsch nicht gegen den Rücken des Soldaten gescheppert sind und man sie gut ausgepolstert hat. Darüber wiederum kamen die Gamaschen. Auch die Lagermütze wurde eingepackt. Alles, was man zusätzlich an persönlichem Hab und Gut bei sich hatte, wurde in die Ecken gesteckt.
Im dritten, seitlichen Teil wurde die Schmutzwäsche aufbewahrt.
Und in den vierten Teil in der Tornisterklappe befanden sich dann die ganzen Werkzeuge, wie Wachs und Schaber zum Wachsen der Patronentasche, eine Schuhbürste, eine Dose mit Fett, einen Ausräumer zum Reinigen der Muskete. Dann noch einen Beutel mit Spanischweiß, das man zum Weißen der Lederteile nahm, Putzsand für die Messingteile der Uniform und der Muskete sowie des Sabre Briquet, ein Wattebausch und ein Lappen. Auch die Schuhe (neben den Schnallenschuhen, die ich euch bereits gezeigt habe, gab es auch Lagerschuhe aus Holz), wurden hier verstaut.
Hinzu kam das Soldbuch, in dem auch Strafen etc. vermerkt wurden und in dem es eine Liste gab, auf der zahlreiche typische Vergehen zusammen mit der Strafe aufgelistet waren, Nähzeug, und im Gefecht sechzig weitere Patronen (zu denen komme ich noch einmal an anderer Stelle genauer, denn ich habe letztens gezeigt bekommen, wie man die Teile zusammenbaut).
War es das?
Nein 🙂 Die Soldaten besaßen zudem noch einen Wollmantel, manchmal steingrau, manchmal braun, der zusammengerollt auf dem Tornister getragen wurde, und der beim Schlafen als Decke benutzt wurde.
Da gemeinsam innerhalb einer Caporalschaft von acht bis zwölf Mann gekocht wurde, wurden auch die Pfannen und Kessel abwechselnd getragen. Diese mussten auch auf dem Tornister festgeschnallt werden, damit sie nicht unkontrolliert herumgebaumelt sind und den Tornister oder gar die Patronentasche beschädigt haben. In den Gerätschaften hat man noch zusätzlich Lebensmittel für die Gruppe transportiert.
Also… mein Mann sollte niemals wieder meckern, dass ich zu viel Kram mit mir herumschleppe 🙂
Jetzt kommt nochmal ein Teil mit Werbung…
Solche Artikel sind nicht möglich ohne die wunderbare Arbeit meiner freundlichen und selbstlosen Kontakte im Reenactment. Ein großes Dankeschön geht daher an die 22. Demi-Brigade für die wunderbare Erklärung, wie man den Tornister packt. An das 8. Regiment der Linie für die tollen Fotos (Abb. 3,5-7 und 11, auf ihrer Homepage gibt es noch viel mehr zu entdecken!), meinen Lieblings-Recherche-Sappeur für einen Blick in seine Sammlung an Soldbüchern und an meinen ehemaligen Chef de Recherche Jean Francois, der eine Patrone zum Selbststudium geschenk und der mir sein Essgeschirr gezeigt hat.
Euch interessiert das Thema? Beide Regimenter suchen regelmäßig Kanonenfutter.
Wenn ich euer Interesse geweckt habe und ihr noch tiefer in die Epoche eintauchen wollt, werft doch einmal einen Blick in meine Romane. Sie sind als Taschenbuch oder eBook bei Amazon und überall im Buchhandel erhältlich.
Liebe Grüße
Eure Jocelyn