Was ist eine Vivandiere?- Frauen in der Armee Napoleons

Immer nur lesen wir über die Soldaten und vor allen Dingen über die Offiziere in der Armee Napoleons. Aber was war eigentlich mit den Frauen? Begleiteten sie ihre Männer auf die Feldzüge, wie es in anderen Armeen üblich war? Welchen Aufgaben gingen sie nach? Welchen Status hatten sie? Damit soll soll sich dieser Beitrag bei „Kakao, Kuchen und Musketen“ beschäftigen.

Was war eine Vivandiere?

In meinem neuen Roman „Das Flüstern des Löwenzahns“ stehen die Vivandieres der französischen Armee im Vordergrund. Sie allesamt sind recht beeindruckende und toughe Persönlichkeiten, die sich in der Welt der Armee zurechtfinden und ein hohes Maß an Verantwortung für sich und die Soldaten übernehmen.

„Soldaten bei einer jungen Markthändlerin auf der Rast“ von Adrien Moreau

Der Begriff „Vivandiere“ oftmals auch ganz charmant „Vivandière“geschrieben (ich kann mir ja nie merken, in welche Richtung der Strich geht) leitet sich von der männlichen Version „Vivandier“ ab. Man geht davon aus, dass das Wort ethymologisch auf die Worte „Vivres“ (Nahrungsmittel) und „Vivande“ (das Fleisch) zurückgeht.

Wenn man von Vivandieres liest, findet sich auch immer wieder seit etwa 1790 der Begriff Cantiniere, der die Versorgung mit Lebensmitteln stärker in den Mittelpunktz rückt. Allerdings werden beide Begriffe synonym verwendet.

Eine Uniform für die Vivandieres?

Eine einheitliche Uniform für die Vivandieres wie es in späteren Epochen wie beispielsweise dem Amerikanischen Bürgerkrieg vorgeschrieben war, gab es noch nicht. Daher trugen die Frauen normale einfache und möglichst strapazierfähige Kleidung ihrer Zeit. Typisch war besonders die Schürze, die nach damaliger Mode dreieckig wie eine Art Beutel geschnürt wurde. Aber auch ein wärmender Umhang, eine Spencer Jacke oder Reitmäntel gehörten dazu.

Eine Vivandiere bei der Schlachtnachstellung in Waterloo 2022,
Quelle: Hugues de la Fleche

Manche Quellen berichten davon, dass manche Vivandieres so gut verdienten, dass sie sich auch bessere Kleidung leisten konnten und auch einen kleinen Faible für besondere Details an ihrer Kleidung hegten- auch mit dem Ziel, aufzufallen, durch ein gepflegtes Äußeres vielleicht bessere Geschäfte zu machen, und aus der Masse herauszustechen. Kokarden als Zeichen der Zugehörigkeit zur französischen Armee finden sich jedoch selten an der Kleidung der Vivandieres.

Da während der entbehrungsreichen Feldzüge jedoch Mangel auch an Kleidung für die Frauen herrschte, suchten sie sich (und stahlen gewiss auch) Kleidungsstücke zusammen, wenn sie welche benötigten, sodass ihr Anblick oftmals sehr bizarr angemutet haben muss.

Welche Aufgaben hatte eine Vivandiere?

Eine Vivandiere bei der Schlachtnachstellung in Waterloo 2022
Quelle: Hugues de la Fleche

Eine Vivandiere handelte mit all jenen Dingen, die ein Soldat nicht durch den Staat gestellt bekam. Dazu gehörten „besondere“ Lebensmittel, wie Butter, Käse, Würstchen oder Schinken. Sie trug meist ein undekoriertes Fässchen (die reichlich bemalten Fässer kamen erst nach der napoleonischen Epoche in Mode) mit Brandwein bei sich, den die Soldaten erwerben konnten, denn dieser wurde von der Armee selbst nur zu besonderen Anlässen ausgeschenkt.

Sie verkaufte aber auch Essig (zum Reinigen des Trinkwassers), Haarbänder, Kämme, Haarpulver, Pfeifenton zum Weißen des Lederzeugs, Pomade, Schreibpapier, Tabak und Tonpfeifen, aber auch Anschlageisen.

Oftmals kochten die Vivandieres im Lager der Soldaten und verkauften das Essen. Um ihre Zelte und Unterstände scharrten sich die Soldaten, sodass sie zum Mittelpunkt des Lagerlebens wurden.

Manche Vivandieres waren zudem so vermögend, dass sie Geld verliehen.

Die Rolle der Vivandiere

Oftmals waren die Vivandieres mit einem der einfachen Soldaten oder Unteroffiziere verheiratet und besserten mit ihrem Geschäft deren Sold auf. Gleichzeitig sorgten sie jedoch auch für ihre Familien vor, da sie- auch wenn der Mann fiel- erwerbstüchtig waren.

„La Vivandière“ von Clément Pruche (um 1840)

Ihre Zelte und Unterstände befanden sich im Biwak etwas abseits (ca. 15. Meter hinter den Küchenzonen) und waren deutlich mit bunten Kränzen und Girlanden versehen. Bei den Soldaten wurden sie sehr geachtet und geschätzt. Das zeigt sich vor allen Dingen darin, dass die Vivandieres oft mit „Mutter“ angesprochen wurden.

Kam es zu einer Schlacht oder einem Gefecht, hielt sich der Tross wenn möglich im Hintergrund auf und somit nahmen die Vivandieres nicht am Kampfgeschehen teil. Was jedoch nicht hieß, dass einige von ihnen nicht mitten im Kampfgetümmel dafür sorgten, dass ihre „Jungs“ noch ausreichend Getränke hatten oder ihnen auch Munition brachten. Einige Quellen sprechen zudem davon, dass viele Vivandieres auch mit den Waffen der Infanterie umgehen konnten und es gibt die eine oder andere Anekdote (auch bei den Preußen), wo eine der Händlerinnen selbst zur Waffe gegriffen hat, um sich dem Feind zu stellen.

Regeln für die Vivandieres

Es gab seit Ende der Revolution zahlreiche Erlässe, die die Rolle der Vivandieres, aber auch der anderen Frauen in der Armee geregelt haben und auch dafür sorgten, dass sie einen offiziellen Status erhielten.

So gab es klare Regeln, wie viele Frauen pro Bataillon zugelassen waren, was im Laufe der Zeit schwankte. Für die Deutschlandarmee waren für jedes Infanterieregiment eine Vivandiere für den Regimentsstab vorgesehen und je eine für eines der Feld-Bataillone. Diese Frauen erhielten ein offizielles Dekret und trugen eine Berechtigungsmarke aus Messing oder Weißblech von ca. 4cm Größe, die rund oder oval sein konnte. Diese trugen sie als Kette. Auf diesen Marken stand manchmal ihr Name, manchmal das Regiment und die Bezeichnung „Vivander“. Leider habe ich bislang nirgendwo ein Foto eines Originals auftreiben können. Daher… Wenn das hier jemand liest, der soetwas in seiner heiligen Sammlung besitzt, freue ich mich über eine Nachricht.

„Death of a vivandière“ von Orlando Norie

Auch für ihre Wagen und die Zug- bzw. Packpferde gab es Regeln. Jedes Fuhrwerk musste dem Wagenmeister (Vaquemestre) gemeldet werden und wurde ebenfalls mit einer Marke versehen. Fuhrwerke ohne Marke wurden zerstört, Frauen ohne Berechtigung davongejagt. Interessant fand ich hierbei die Anmerkung, dass die Vivandieres sich beim Marsch 100 Schritt von ihrem Regiment fernhalten sollten und niemals vor der Artillerie gehen durften.

Disziplinarische Maßnahmen

Damit die Regeln eingehalten wurden, gab es teils recht drakonische Strafen. Wie bereits erwähnt, wurden Wagen und Händlerinnen ohne offizielle Lizenz nicht geduldet. Auch war es den Vivandieres verboten, nach dem Zapfenstreich noch Getränke zu verteilen. Wurde man dabei erwischt, durfte man 12 Franc Strafe zahlen, beim zweiten Verstoß wurde man der Armee verwiesen.

Charlet, 1844

Das Marodieren, also der Diebstahl bei Zivilisten, wurde mit fünf Jahren Eisen und der Erstattung des Schadens in doppelter Höhe bestraft.

Belegt ist ein Erlass von 11. November 1796, der auch regelte, wie man sich in einer Schlacht verhalten musste. So gab es 10 Jahre Eisen für das Ausplündern nach der Schlacht (nach so einem Gemetzel strömte ja alles auf das Schlachtfeld und dann wurde eingesammelt, was an Schuhen, Geld, Lebensmitteln und anderer Kleidung noch übrig war). Zwanzig Jahre gab es gar, wenn man einen verwundeten Soldaten ausplünderte. Der Weiterverkauf solcher Beute war ebenfalls verboten und bedeutete den Ausschluss aus der Armee.

Bekannte Vivandieres

Über die Einzelschicksale dieser Frauen gibt es kaum Berichte und andere Zeugnisse. Aber ein paar Namen haben dann doch bis in die heutige Zeit überdauert.

Ein Ausschnitt aus dem Gemälde „Battle of Chiclana“ von Lejeune, zu sehen Catherine Baland

Zum einen Marie Dauranne, die einem Soldaten das Leben gerettet hat, indem sie ihn aus dem Fluss Piave gezogen hatte und deshalb von Napoleon selbst mit einer goldenen Vivandiere-Marke ausgezeichnet und zur ersten Cantiniere der Armee ernannt wurde (was auch immer man sich von dem Titel kaufen konnte).

Ein anderes Beispiel ist Catherine Baland, die sogar auf dem Gemäde „Battle of Chiclana“ von Lejeune zu sehen ist (mit der ich mich im Augenblick sehr beschäftige) oder Marie Tête-de-Boi, die an 27 Kampanien teilnahm und an der Schlacht von Waterloo teilnahm.

Und warum ein Roman über eine Vivandiere?

Erst einmal der Schock! Im Augenblick sind drei Romane über die Vivandieres der Grande Armée geplant.

Nein, mir geht es darum, diesen Frauen eine Stimme zu geben und sie wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Jeder kennt schließlich die berühmten Schlachten und Gefechte der Napoleonischen Kriege, kennt die Augenzeugenberichte der Soldaten und ihre Perspektive. Doch die der Frauen, die ebenso einen wichtigen Beitrag leisteten, wurde noch nicht allzu viel geschrieben. Ich hoffe, dass es mir in meinen Romanen gelingt, zumindest auf sie aufmerksam zu machen.

Ein herzliches Dankeschön

geht dieses Mal an Hugues de la Fleche (HIER ist der Link zu seiner Webseite mit weiteren unfassbar schönen Fotos), dessen unfassbar schöne Portraits ich für diesen Artikel nutzen durfte. Außerdem möchte ich mich bei Günter Franke für die Bereitstellung einer sehr hilfreichen Übersetzung bedanken.

Liebe Grüße

Muskete

Quellen:

Alle verwendeten Gemälde und Zeichnungen sind gemeinfrei!

Crowdy, Terry: Napoleon’s Woman Camp Followers. 2021.

Pfeifer, Gert (Hrsg.): Eine Marketenderin in den Napoleonischen Kriegen. Leipzig 2017.

http://nicolequinnnarrates.blogspot.com/2012/06/napoleonic-women-cantinieres.html (letzter Zugriff: 16.09.2022).

Themen:

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