Schlafanzughosen?

Heute soll es in meinem Beitrag bei „Kakao, Kuchen und Musketen“ um eine Besonderheit der Uniformen gehen. Ganz oft werde ich von Leserinnen und Lesern gefragt, warum die französischen Soldaten auf den Fotos so „schäbig“ und uneinheitlich aussehen. Und was hat es eigentlich mit den fürchterlichen gestreiften „Schlafanzughosen“ auf sich, die die Soldaten auf den Fotos immer tragen?

Wie sieht die Uniform im besten Fall laut Vorschrift aus?

Die Grenadiere der französischen Linieninfanterie (Quelle: Andreas Springer)

Ihr wisst ja, ich bin Team „Grande Armée“, also soll es dieses Mal hauptsächlich um die französischen Uniformen gehen. Die Besonderheiten der Kings German Legion und der Britischen Uniformen stelle ich euch ein anderes Mal vor. Hier würde das den Rahmen sprengen. Auch befasse ich mich jetzt hauptsächlich mit der Infanterie.

Wie ihr seht, tragen die Soldaten der Linieninfanterie weiße Hosen, die der Leichten Infanterie dunkelblaue. Dazu gehört ein dunkelblauer Uniformrock mit weißen Rabatten (das Stoffstück auf der Brust) und Details in Truppenfarbe. Bei den Grenadieren beispielsweise sind die Ärmelaufschläge und Epauletten rot, bei den Voltigeuren grün. Darunter befindet sich ein wollweißes Hemd und eine wollweiße Weste. Dann gab es noch die weißen bzw. schwarzen Gamaschen an den Beinen und die schwarzen Schuhe. All diese Stücke habe ich euch bereits in meinem ersten Blogbeitrag vorgestellt. Hier ist aber noch einmal der Link (der ganze Beitrag ist nur für Abonnenten meines Newsletters verfügbar. Also meldet euch doch einfach an!)

Auffällt aber, wenn man Zeichnungen oder auch Fotos aus dem Reenactment sieht, dass die Soldaten recht unförmige wild gemusterte Hosen tragen. Was hat es damit auf sich?

Wie reinigte man damals eine Uniform?

Das Problem liegt größtenteils in der Reinigung. So wurde dringend davon abgeraten, die Uniform zu waschen oder übermäßig zu reinigen. Denn das förderte den Materialverschleiß und das war teuer. Und ich bin jedes Mal dankbar dafür, dass die Gefechtsnachstellungen im Freien stattfinden, denn auch in der Darstellung der Flecken auf den Uniformen lassen sich die Herren (und Damen) nicht lumpen und gönnen Ihrer Uniform kein Wollwaschprogramm mit extra Weichspüler.

Ein guter Anhaltspunkt für Möglichkeiten, die Uniform dennoch sauber zu bekommen (zumindest optisch) findet sich in Bardin’s „Handbuch für Unteroffiziere und Corporäle der Infanterie, das 1810 in einer deutschen Übersetzung erschienen ist.

Deshalb gab es verschiedene Möglichkeiten die Uniform ohne Vollbad zu waschen. Manche Beschreibungen nehmen Seife, andere Kleie, die auf den Fleck gegeben werden und nach dem Trocknen ausgebürstet werden soll. Aber auch das Bürsten sollte man sich stark überlegen, denn auch das schadet langfristig dem Stoff. Andere Beschreibungen geben als Tipp an, bläuliche Tonerde und blanc de Troies (ebenfalls ein toniger Kalkstein) zu mischen und mit Weinsteinsalz und Terpentin-Essenz zu einem Teig zu vermischen, der auf den Fleck aufgetragen wird. Nach dem Trocknen ist von dem Fleck nichts mehr übrig und man kann die Uniform stofffreundlich ausklopfen, z.B. mit einem Martinet, siehe Foto.

Eine Klopfpeitsche- Martinet (Quelle: 22. Demibrigade)

Knöpfe und andere Metallteile der Uniform kann man dann mit zerstoßener Kreide reinigen- was für ein Aufwand.

Was sind Überhosen und wofür braucht man sie?

Als ich mich am Anfang mit den Uniformen für eine Beschreibung meiner Romane beschäftigt habe und nach jeder Lektion meines Grenadier-Crashkurs Fotos durchsucht und die Uniformen bestimmt habe, bin ich manchmal richtig verzweifelt (okay, das tue ich immer noch mit absoluter Regelmäßigkeit), wenn ein Uniformdetail nicht so ist, wie es in meinen Büchern abgebildet ist. Lange Zeit war ich mir sicher (und ein Restverdacht bleibt), dass die bunten Überhosen und all die anderen Abweichungen nur zur Verwirrung des Gegners angestellt wurden, der keine Ahnung mehr hatte, was da für ein bunter Haufen anmarschiert kam und zu spät reagiert hat-Und 200 Jahre später zur Verwirrung einer komplett irritierten Autorin (inklusive Amüsements ihrer Berater).

Nun muss man sich vorstellen, dass diese weißen Hosen übelst empfindlich waren und Flecken, Risse und anderem Verschleiß sehr schnell nachgegeben haben. Damals konnte man sich aber nicht alle paar Wochen eine neue Hose geben lassen oder die eigene(n) auf längeren Märschen alle paar Tage waschen. Zum Schutz der Hose, aber auch zum zusätzlichen Schutz vor der Witterung nähten sich die Soldaten Überhosen (oder ließen sie sich nähen). Diese wurden im Biwak, auf Märschen und teilweise (wenn nicht anders angeordnet) auch im Gefecht getragen.

Dafür suchte man sich möglichst robusten Stoff aus und war gerade auf Kriegszügen wie in Spanien froh, wenn man überhaupt irgendwelchen Stoff in die Finger bekam. Da wurden dann erbeutete Kleidungsstücke aus der Zivilbevölkerung genommen oder Bettlaken oder man bestahl mal eben die Mönche eines Klosters und benutzte den braunen Kuttenstoff. Oder man räuberte sich die Kleidung von gefallenen oder anderweitig verstorbenen Kameraden und änderte sie ab- manchmal ohne den Stoff großartig zu reinigen.

Das Endergebnis? Nicht schön, aber selten.

Das Ergebnis war, dass die französische Armee selten so schön und prächtig wie auf den üblichen Gemälden oder wie wir sie aus vielen Filmen kennen, aussah. Vielmehr war es ein ziemlich bunt gemusterter Haufen, was bestimmt nicht gerade vertrauenserweckend ausgesehen hat.

Das Titelbild noch einmal aus einer anderen Perspektive (Quelle: Andreas Springer)

Eine negative Folge hatte die wilde Stoffmopserei und fehlende Hygiene jedoch. Mit ihr verbreitete sich die Kleiderlaus, dem Hauptüberträger des Fleckfiebers, weshalb der Erkrankung viele tausend Soldaten und Militärangehörige zum Opfer fielen- besonders gravierend nach dem nicht ganz so optimal gelaufenen Russlandfeldzug Napoleons 1812.

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Liebe Grüße

Musketen

Quellen:

Fotos: Andreas Springer aus der Gefechtsdarstellung der 200-Jahrfeier der Schlacht von Waterloo, 2015

Mein besonderer Dank geht wieder an die 22. Demi-Brigade für ihre ausführliche Erklärung, wie man eine Uniform reinigt

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